Strandurlaub ist weiterhin in: Im vergangenen Sommer ging die Reise vor allem ans Mittelmeer. Foto: dpa/Clara Margais

Die deutschen Urlauber sind zwar inzwischen gut über Klimawandel und Klimaschutz informiert, die Bereitschaft, deshalb aufs Reisen zu verzichten, hält sich jedoch in Grenzen.

Stuttgart - Die deutsche Reisebranche ist hochzufrieden. 2019 war ein gutes Jahr – trotz großer Herausforderungen wie der Pleite des Thomas-Cook-Konzerns und der immer lauter werdenden Diskussion über den Klimaschutz. In der Bilanz steht am Ende ein Umsatzplus von zwei Prozent. „Mit diesem Wachstum konnte das außerordentlich gute Vorjahresergebnis nicht nur gehalten, sondern leicht gesteigert werden“, sagt der Präsident des Deutschen Reise-Verbands (DRV), Norbert Fiebig. Von einem Greta-Effekt also keine Spur.

2018 hatte die damals 15-jährige Schwedin Greta Thunberg mit ihren Mahnwachen wegen des Klimawandels begonnen. Der große mediale Aufschlag von Fridays for Future erfolgte in Deutschland aber erst im Frühjahr 2019 – also zu einem Zeitpunkt, als viele langfristig planende Urlauber ihre Reisen längst gebucht hatten. Aus Sicht des DRV ist es daher nicht ausgeschlossen, dass man erst 2020 Auswirkungen spüren wird. Werden die Deutschen aus Verantwortungsbewusstsein nun in der Mehrzahl ihr Reiseverhalten umstellen?

Tourismusforscher glaubt nicht an tiefgreifende Veränderung

Der Kieler Tourismusforscher Martin Lohmann glaubt das nicht. Er erwartet in absehbarer Zeit keine tiefgreifende Veränderung beim Reiseverhalten der Deutschen: „Wir essen ja auch weiter Fleisch und fahren weiter Auto, obwohl man weiß, dass es dem Klima nicht guttut.“ „Endgültige Zahlen haben wir noch nicht, aber es zeichnet sich ab, dass ein Großteil der Befragten zumindest ein schlechtes Gewissen beim Reisen verspürt.“ Der Experte rechnet daher damit, dass deshalb im kommenden Jahr aus Flugscham mehr Geld für die Kompensation für CO2-Emissionen ausgegeben wird.

Bei der Kompensation gibt es aber noch viel Luft nach oben. Nach Angaben des DRV wurden 2018 lediglich zwei Prozent der Flugreisen ausgeglichen. Zwar geben Urlauber aller Alters- und Einkommensklassen in Studien übereinstimmend an, möglichst nachhaltig reisen zu wollen, doch bei der Umsetzung hapert es. Fazit der Meinungsforscher: Die Kluft zwischen nachhaltiger Einstellung und nachhaltigem Verhalten auf Urlaubsreisen ist weiterhin sehr groß.

Das lässt sich auch an der Zahl der gebuchten Flugreisen ablesen – die Tendenz ist seit Jahren steigend. Laut dem internationalen Airline-Verband Iata wurden im abgelaufenen Jahr weltweit 4,5 Milliarden Passagiere gezählt. 2020 erwartet man 4,7 Milliarden Fluggäste. Am Stuttgarter Flughafen wird bis Ende dieses Jahr wohl erstmals in der Geschichte die Marke von zwölf Millionen Fluggästen geknackt. Bis Jahresende kalkuliert der Airport mit etwa 12,6 bis 12,7 Millionen Passagieren. 2018 waren 11,8 Millionen Menschen in Stuttgart abgeflogen oder gelandet.

Die Türkei hat in der Gunst der Urlauber wieder deutlich zugelegt

Im vergangenen Sommer ging die Reise vor allem ans Mittelmeer. Dabei zeigte sich, dass die Türkei in der Gunst der Urlauber wieder deutlich zugelegt hat. Mit 24 Prozent mehr Gästen als im Vorjahr ist das Land am Ägäischen Meer in alter Stärke zurück. Die Türkei war statistisch nach Spanien das meistgebuchte Reiseziel der vergangenen Sommersaison.

Stark nachgefragt waren im gesamten Touristikjahr auch Fernreisen, die vier Prozent mehr gebucht wurden als im Vorjahr. Auch Hochsee-Kreuzfahrten lagen in der Gunst der Reisenden weit vorn: Im gesamten Touristikjahr 2018/19 gab es einen Umsatzzuwachs von neun Prozent, im Sommer lag dieser bei acht Prozent. Nach ersten Hochrechnungen des DRV wird sich damit der Marktanteil der Kreuzfahrten am Gesamtumsatz in Deutschland auf voraussichtlich 15 Prozent erhöhen.

Urlaub im eigenen Land ist womöglich auch keine Lösung

Auch in Zeiten eines steigenden Bewusstseins für Klimaschutz wird der Urlaub an sich wohl so schnell nicht abgeschafft. „Reisen ist wichtig. Man erholt sich, lernt die Welt kennen – diese positiven Effekte sind sehr wertvoll“, sagt Tourismusforscher Lohmann. Er geht daher davon aus, dass die Menschen eher an anderer Stelle verzichten, als in Zukunft zu Hause zu bleiben. Die Option, künftig nur noch im eigenen Land Urlaub zu machen, sieht er mit Skepsis: „Das wird nicht funktionieren. Man stelle sich vor: Auf einmal fahren alle nur noch an den Bodensee. Dann haben wir dort ein Overtourism-Problem.“

Derweil wehrt sich der DRV gegen den Eindruck, dass vor allem das Reisen die Erderwärmung befeuere. DRV-Präsident Norbert Fiebig sagte, zwar seien ein Verbot von Inlandsflügen und hohe Umweltaufschläge auf Flugtickets denkbar. Dann werde das Reisen aber zu einem Luxusgut wie in den 1950er Jahren. „Das entspricht nicht unserem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit.“