Nur das Beste ist gut genug: Katie Melua Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Zeitlose Songs, betörende Stimme: Zum Auftakt ihrer Deutschlandtournee betört die unvergleichliche Katie Melua das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle.

Stuttgart - Es kommt der Augenblick, in dem die sonst zurückhaltende Katie Melua einige Worte spricht, über ihre Lieder, ihr Repertoire. Drei Jahre sind vergangen, seitdem sie mit „In Winter“ ihr letztes Studioalbum vorlegte; im Herbst 2018 erschien mit „Ultimate Collection“ eine von Melua selbst zusammengestellte Sammlung ihrer persönlichen Favoriten. Aus ihr schöpft sie vor allem beim ersten Deutschland-Konzert ihrer aktuellen Tournee jetzt in der Stuttgarter Liederhalle – und sie erklärt dem Publikum, das die Halle fast vollständig füllt, worauf sie bei der Auswahl der Songs achtete: Zeitlos sollten die Stücke sein, nur auf die besten Songwriter der Welt greife sie zurück. Sie liefert den Beweis und singt ein Lied von Leonard Cohen: „A thousand Kisses deep“.

Katie Melua singt natürlich in einer anderen Tonlage als der 2016 verstorbene Kanadier. Ihre Stimme ist hell und von einer Geschmeidigkeit, welche die ungewöhnlichen Phrasierungen, mit denen sie sich fremde Stücke aneignet, mitunter in den Hintergrund treten lässt. Ihre Interpretationen sind originell, vor allem aber betört ihr zarter, träumender Ton. Viele Stücke kommen dem entgegen mit erstaunlich schöner Melodie – aber Katie Melua traut sich auch, den Rahmen zu sprengen und singt selbstbewusst mit einer rockenden Band „On the Road again“ von Canned Heat.

Die Fahrräder von Peking

Diesen Song freilich nahm sie längst schon auf, sie sang ihn für ihr zweites Album „Piece by Piece“ von 2005. Auf ihm fand sich auch der Hit „Nine Million Bicycles“, den Mike Batt für Katie Melua komponierte, mit dem die internationale Karriere der damals erst 21-jährigen Sängerin begann. Bereits „The closest Thing to Crazy“, eine weitere Mike-Batt-Komposition, hatte sich 2003 unvergesslich ins Gehör geschmeichelt, wurde sehr oft von Radiosendern zu früher Morgenstunde gespielt und versüßte so vielen Menschen den Start in den Tag.

Ein wenig lief die Sängerin seither Gefahr, in zarter Beliebigkeit zu erstarren. Die schlichten, schönen Lieder, mit denen sie begann, liegen Katie Melua immer noch. Mittlerweile 34 Jahre alt, zeigt sie aber auch energische Ambition. Ihre Stimme schwingt mit großer Strahlkraft, gleitet durch unzählige Melismen, hält einzelne Noten kraftvoll und lange. Ihr Auftritt folgt einer Dramaturgie, die sich allmählich vom schlichten Popsong zum großen Drama und wieder zurück bewegt. Neben Stücken, in denen Jazz spürbar wird, stehen handverlesene Pop-Perlen und Songs, die Folklore atmen.

Schlichtes Kleid, akustische Gitarre

Katie Melua besitzt georgische, russische und kanadische Vorfahren und verbrachte den größeren Teil ihrer Kindheit in Tiflis, Georgiens Hauptstadt. Ihre Familie zog nach Nordirland, schließlich Großbritannien; Melua nahm Einflüsse dieser Länder in ihre Musik auf, singt das georgische Traditional „Tu Ase Turba“, übersetzt den Titel für ihr Publikum ins Englische: „If you are so beautiful“.

Fünf Mal war Katie Melua seit 2005 beim Stuttgarter Jazz-Open zu Gast, zumeist in Begleitung ihres Produzenten Mike Batt, der die Stuttgarter Philharmoniker für sie dirigierte. Erst bei „In Winter“ löste sie sich von ihm, produzierte selbst und nahm mit einem vielstimmigen Frauenchor auf. Nun steht sie auf der Bühne mit einer schlank besetzten Band – Keyboard, Schlagzeug, Bass und E-Gitarre, die ihr jüngerer Bruder Zurab spielt und mit leichtem Ton ihre Stimme umkreist. Katie Melua trägt ein schlichtes rotes Kleid, spielt oft eine akustische Gitarre, die sie mit leichtem, sicheren Schlag anrührt, sie lädt ein zu einer Reise durch die Lieder, die sie in ihrer fünfzehnjährigen Karriere aufnahm. Manch einer mag bedauern, dass Paul Simons „Bridge over troubled Water“, das einzige Stück, das sie für ihre Compilation neu aufnahm, im Programm fehlt, manch anderer, dass sie Joni Mitchells „River“ nicht singt – aber Katie Melua entschädigt sie alle mit ihrer herzlichen und schönen Version von Louis Armstrongs „What a wonderful World“.