Der Cartoonist Tom Gauld mixt gerne: zum Beispiel ein Krimiklischee mit Teilchenphysik,. Foto: Edition Moderne/Tom Gauld

Bei fast jedem Nachrichten-Update hängen wir in Corona-Zeiten an den Lippen von Wissenschaftlern. Der Schotte Tom Gauld liefert den erleichternden Cartoon-Band dazu. In seinen Gags treffen echte Wissenschaft und Popkulturideen vom Laborleben aufeinander.

Stuttgart - Politiker? Showstars? Besorgte Bürger? Nein, den ersten Platz in der Nachrichtenarena nimmt derzeit eine ganz andere Gruppe ein: Wissenschaftler, forschende Ärzte, Virologen vor allem. Wir hängen an ihren Lippen, wenn sie uns erläutern, wo wir gerade stehen im Kampf gegen das Coronavirus, was von den Mutationen dieses Angstmachers noch zu erwarten ist – und was von den rastlos an einem Gegenmittel forschenden Uni- und Pharmalaboren.

Da kann man sich fast ein bisschen schämen für das Bild, das Wissenschaftler sonst so in der Populärkultur abgeben. Gern sind sie vogelige Gestalten, in weltfremde Theorien versponnene Wirrköpfe, noch häufiger aber Verrückte und Fanatiker, die mit Weltzerstörungs-, Weltbeherrschungs- oder Weltbeglückungsprojekten Unglück über sich und andere bringen. Von „Frankenstein“ bis „Jurassic Park“ haben wir uns das Bild des Forschungslabors als Hexenküche gerne gefallen lassen.

Pech mit Strahlenkanonen

Damit wir uns nicht allzu sehr schämen, bringt der Schweizer Comic-Verlag Edition Moderne einen neuen Band mit Cartoons des Schotten Tom Gauld heraus, mit dem sehr treffenden Titel „Abteilung für irre Theorien“. In den Gags – die hoch konzentriert sind, oft nur aus einem Bild bestehen– trifft die Wissenschaft auf die Zwänge der Vermarktung, auf die Wunderlichkeiten ihrer Fachsprache, am häufigsten aber auf die Populärkultur, auf Horror-, Science-Fiction-, Fantasy- und Krimiszenarien.

Eine zumindest solide Ahnung davon, wie es zugeht im Wissenschaftsbetrieb, trifft hier auf eine liebende Kenntnis dessen, was unsere Fantasie aus Forschern macht: also Typen, die absichtlich oder unabsichtlich an riesigen Strahlenkanonen basteln, deren Tests zuverlässig schiefgehen; die versehentlich Tore in andere Dimensionen voller Monster öffnen; die sich zerstreuterweise selbst mit in die Datencloud hochladen; oder die gigantische Roboter zusammenschrauben, über deren Steuerung und Abschaltung sie zuvor nicht genug nachgedacht haben.

Spott über die Betrachter

Der wichtige Unterschied zu manch anderen Cartoons: Hier werden nicht krude Vereinfachungen und Missverständnisse von außen in die Wissenschaft hineingestopft. Hier werden sie eher von innen aus hereingeholt: „Ein bisschen was ist dran an diesem Bild von uns“, scheint da die Forscherwelt selbst zu grinsen. Andere Bilder dagegen zeigen eher amüsiert auf den Betrachter, mit dem frohen Spott „So stellt Ihr euch das vor, gell?“

Erschienen sind die Cartoons im Original ja auch im Magazin „New Scientist“, sie sind also vor allem für Leser gedacht, die ein wenig Interesse an realer Wissenschaft haben. Die aber zeigen gerade fast alle Menschen. Will heißen: Die Wartezeit zwischen zwei Stand-der-Dinge-Erläuterungen führender Virologen kann man kaum schöner zubringen als mit diesen Ausflügen in die Welt des Forschens, Grübelns und Erprobens.

Tom Gauld: „Abteilung für irre Theorien“. Edition Moderne, Zürich. 160 Seiten, 19 Euro.