Mit Kerzen gedenken die Menschen den Opfern der Messerattacke in Illerkirchberg. Foto: 7aktuell.de/Kevin Lermer

Polizei an den Straßenrändern, Schulpsychologen im Einsatz, ein gestresster Bürgermeister und Debatten über die Ortsbeleuchtung: Illerkirchberg am Morgen nach der Bluttat.

Nichts ist wie es war, am Morgen nach der Bluttat von Illerkirchberg. Das frühe Licht fällt auf den Ort wie schon am Vortag, als gegen 7.30 Uhr zwei Mädchen auf dem Schulweg niedergestochen wurden, schwach und durchsetzt von grauem Winternebel, der vom Fluss Iller noch verstärkt wird. Ein Teppich von Blumen, Kerzen, beschriebenen Kärtchen, bemalten Steinen in Herzform hat sich am Tatort ausgebreitet, er wird immer größer. Auf Kerzen steht „Warum?“ oder auch „Ruhe in Frieden“. Strategisch geparkte Polizeiautos überall im Ort signalisieren: Hier wird nicht nochmals etwas passieren.

Vier Frauen sind mit dem Auto extra aus der bayerischen Nachbarstadt Senden hergekommen, haben Blumen in der Hand. Eine von ihnen, ebenfalls Mutter, sagt: „Das tut weh“. Sie kannte das mit einem Messer getötete 14-jährige Mädchen. „Meine Tochter hat mit ihr getanzt.“ Am Nachmittag wollen sich Freunde der schwer getroffenen, aus Oberkirchberg stammenden Familie in Ulm treffen, um miteinander zu reden.

Verdächtiger wird erheblich verletzt gefasst

Nach dem Messerangriff vom Montag hat die Polizei einen 27 Jahre alten Asylbewerber aus Eritrea gefasst. Zur Bluttat kam es auf einem schmalen, geteerten Verbindungsweg direkt vor der Eingangstür einer Asylunterkunft, in dem der Mann mit zwei weiteren Landsleuten untergebracht war. Bei der Festnahme im Haus war der Verdächtige selber erheblich verletzt, er wurde zunächst in ein Krankenhaus gebracht und dort laut Staatsanwaltschaft stundenlang operiert.

Gesagt habe er noch nichts, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Ulm am Vormittag. Auch das 13-jährige, ebenfalls niedergestochene Mädchen war am Montag in eine Klinik gebracht worden, ihr Zustand ist laut Behörden stabil. Was die beiden anderen Männer aus Eritrea zur Tataufklärung beitragen können, ist noch unklar.

Schulpsychologen machen Angebote

Ein junges Paar kommt zum Blumenteppich, die Frau ist Mutter einer vierjährigen Tochter. „Ich habe selber einen Migrationshintergrund, bin keine Rassistin“, sagt sie, während sie im Sekundentakt an einer Zigarette zieht. „Aber Deutschland muss mal die Augen aufmachen.“ Das Land habe „genug“ für die Asylbewerber getan. „Die leben hier alle besser wie wir.“ Sie arbeitet als Pflegerin in einem örtlichen Alten- und Pflegeheim, kommt direkt von der Nachtschicht. Ihr Gesicht ist bleich. Sie zittert, hat den Reißverschluss ihre Jacke bis an den Hals zugezogen.

Vom Tatort aus geht es einen steilen Treppenanstieg hinauf in den Ortsteil Oberkirchberg, in dessen Mitte eine Grundschule liegt. Hier herab kamen die beiden Mädchen vor dem Überfall. Ein Vertreter des zuständigen staatlichen Schulamts Biberach ist vor Ort. Er wolle die Rektorin nach Möglichkeit unterstützen, sagt er. „Schulpsychologen machen heute Angebote.“ Eine Lehrkraft, die zur Arbeit kommt, wehrt Fragen ab, bittet: „Lassen Sie die Kinder in Ruhe.“ Ein Vater begleitet seine Tochter bis zur Tür, sieht ihr nach, winkt, bis sie verschwunden ist. Seine Stimme klingt gepresst. Mit der Hand deutet er hinunter in Richtung des Tatorts. „Gucken Sie mal, wie dunkel es da ist.“ Seit Jahren werde das moniert, aber nichts sei geschehen.

Diskussion über schlecht beleuchteten Schulweg

Unten in dem kurzen Durchgangssträßchen, wo sich auch noch die Spurenmarkierungen der Polizei vom feuchten Asphalt abheben, fehlt eine Straßenlaterne. Bis zur erleuchteten Bushaltestelle an der Hauptstraße hätten die beiden Mädchen am Montag nur noch 50 Meter zu gehen gehabt. Mit dem Bus wollten sie in ihre Schule nach Ulm fahren, wie immer. Im Asylbewerberheim, einem zweigeschossigen Bau aus den fünfziger oder sechziger Jahren, sind fast alle Rollläden geschlossen. Abgeplatzter Putz an der Fassade ist notdürftig zugegipst worden. Vor Mülltonnen stehen drei Fahrräder, in einem Schneefanggitter auf dem Dach hängen Bälle fest.

Das Thema Beleuchtung sei noch am Montag Abend unter Gemeinderäten beredet worden, sagt der parteilose Bürgermeister Markus Häußler. „Da machen wir jetzt was.“ Er hat kaum Zeit, rund um sein Büro im Rathaus eilen Mitarbeiterinnen hin und her, Türen klappen, Telefone klingeln. Für die Mittagszeit hat sich der baden-württembergische CDU-Innenminister Thomas Strobl angekündigt. Das Asylbewerberheim gehört der Gemeinde, wie andere Gebäude in gleicher Funktion auch. „Wir haben uns in Illerkirchberg für eine dezentrale Unterbringung entschieden. Ich finde das richtig“, betont der Rathauschef. Knapp 50 Flüchtlinge leben in Unterkünften der Gemeinde. Weitere 25, aus der Ukraine stammende Menschen sind zusätzlich in privaten Unterkünften untergebracht.

Laut dem Bürgermeister lebten die Männer aus Eritrea schon mehrere Jahre in dem Haus, vor dem die Mädchen erstochen wurden. „Es herrschte dort eine gute soziale Kontrolle.“ Weshalb sie versagt haben könnte, dazu hat auch Häußler keine Erklärung. Die Staatsanwaltschaft teilt mit, sie prüfe derzeit, ob es Anhaltspunkte für eine verminderte oder ausgeschlossene Schuldfähigkeit geben könnte. Ein psychiatrisches Kurzgutachten dazu sei in Auftrag gegeben.