Viele Streuner sind verletzt, krank oder abgemagert. Spätestens von der zweiten Generation an sind die Tiere überdies so scheu, dass sie kaum noch gefangen werden können. Foto: Tierheim

Die Zahl von Streunern steigt im Landkreis sprunghaft an. Das Landratsamt ruft Halter dazu auf, ihre Tiere unfruchtbar machen zu lassen. In anderen Teilen der Republik ist die Kastration zur Pflicht erklärt worden – mit erheblichen Kosten.

Böblingen - Binnen sieben Jahren können sich eine einzige frei laufende Katze und ihre Nachkommen auf mehr als 370 000 Tiere vermehren. So rechnet es jedenfalls die Tierschutzorganisation Peta vor. Verwilderte Katzen sind ein Problem, dem in anderen Bundesländern ein weit höheres Gewicht zugemessen wird als in Baden-Württemberg. Inzwischen macht es sich aber auch im Landkreis Böblingen zunehmend bemerkbar – als Katzenplage, die meist in Katzenleid endet. So lässt es das Kreistierheim wissen und ruft die Katzenhalter zur vorsorglichen Kastration ihrer Tiere auf.

Nach Auskunft des Kreistierheims steigt die Zahl herrenloser Katzen kräftig. Mehrere Kommunen hätten sich im Sinne eines Notrufs an die Mitarbeiter gewandt. Spätestens in der zweiten Generation seien die verwilderten Tiere überdies so menschenscheu, dass sie kaum noch eingefangen werden könnten. Ehrenamtler bemühen sich, die Katzen so weit zu zähmen, dass sie weitervermittelt werden können. Viele Fundtiere seien „in desolatem Zustand“ und müssten aufwendig von Tierärzten aufgepäppelt werden. Für einige bleibt nur noch die finale Behandlung: eine Todesspritze. Überdies sei die Sterbequote unter den wild lebenden Nachkommen ehemaliger Haustiere schon in den ersten Lebensmonaten hoch. Viele Jungtiere verenden an Krankheiten oder verhungern schlicht.

Das Tierheim in Böblingen entlässt Streuner nach der Kastration wieder

Angesichts dessen überrascht der Umgang des Böblinger Tierheims mit Streunern. Andernorts herrscht wegen der vielen Katzen bereits Platznot. In Böblingen „sind wir darauf eingestellt, die Kastration ist ein Aufgabenschwerpunkt“, sagt Rebecca Kottmann von der Pressestelle des Landratsamts. Nachdem die Tiere per operativem Eingriff unfruchtbar gemacht werden, werden sie „ins gewohnte Umfeld entlassen“, sagt Kottmann, also schlicht dort wieder ausgesetzt, wo sie gefunden worden waren. Rückzugsorte seien häufig Bauernhöfe. Dort stellen die amtlichen Tierschützer Hundehütten als Obdach auf. Gut erhaltene Exemplare aus Holz sind als Spende willkommen.

In anderen Teilen der Bundesrepublik geht die Obrigkeit mit Erlassen gegen die Vermehrung der Streuner vor. Die Stadt Köln mahnt Tierhalter zur „Pflicht, ihre Katze kastrieren zu lassen“. Die nordrhein-westfälische Metropole hat diese Pflicht in ihrer Kommunalverordnung verankert. Außerdem müssen Kölner Katzenhalter ihre Tiere registrieren lassen und mit einer Tätowierung oder einem Mikrochip wiedererkennbar machen. Für männliche Exemplare werden dafür einschließlich einer Verwaltungsgebühr von 75 Euro immerhin rund 160 Euro fällig, für weibliche sogar 220 Euro. Katzenfreunde tröstet die Stadtverwaltung mit dem Hinweis darauf, dass „Kastration Katzenelend mindert“. In freier Wildbahn seien die Tiere „verwahrlost, oft krank, von Revierkämpfen verletzt“ und grundsätzlich „in einem elenden Zustand.“

In knapp 800 Kommunen ist die Kastration zur Pflicht geworden

Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbunds haben bundesweit knapp 800 Kommunen eine ähnliche Verordnung erlassen wie Köln. Die meisten von ihnen finden sich in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein. Der Tierschutzbund fordert eine flächendeckende Pflicht zur Kastration und Registrierung. In Baden-Württemberg ist dieser Aufruf allerdings erst sehr vereinzelt gehört worden. In der 6500-Einwohner-Gemeinde Berglen im Rems-Murr-Kreis und in der Schwarzwald-Stadt Schramberg gilt die Verpflichtung vom Beginn des nächsten Jahres an.

Im Landkreis Böblingen bleibt es bei der freundlichen Erinnerung. Diese richtet sich insbesondere an Katzenhalter, die ihre Tiere frei laufen lassen, aber auch Katzen, die üblicherweise das Haus nicht verlassen, „sollten aus Tierschutzgründen kastriert werden“. So ist es in der Mitteilung des Landratsamts zu lesen.