Gepflegte Hühner, umsorgte Küken: idyllische Hühnerwelt in Gerlingen Foto: StZ

Schreckliche Bilder von toten Hennen haben einen Gerlinger Landwirt 2015 in die Schlagzeilen gebracht. Nun, mehr als drei Jahre später, ist der Fall abgeschlossen. Fazit: Was der Bauer getan hat, war falsch. Ob er daraus gelernt hat?

Gerlingen - Das Bild, das die Homepage vom Hühnerhof Müller in Gerlingen vermittelt, könnte idyllischer kaum sein: Hühner, die ihre Zeit mit einem Schafbock auf einer großen Wiese zubringen, sind darauf zu sehen und ein Küken, das zärtlich von Menschenhänden umfasst wird. Dieter Müller, der Betreiber von Homepage und Hühnerhof, verspricht, man lege Wert auf das Wohlbefinden „unserer Hühner“. Ob es seinen Hühnern tatsächlich so gut geht, lässt sich schlecht beurteilen: Dieter Müller spricht nicht mit der Presse. „Kein Interesse“, sagt er. Und noch bevor man fragen kann, ob man sich in Ruhe unterhalten könne, hat er mitten im Satz einfach aufgelegt.

Die Sanktion fällt relativ mild aus

Dieter Müllers Hühnerhof hat im November 2015 großes Aufsehen erregt, weil die Tierrechtsorganisation Peta ekelerregende Bilder aus seinem Hühnerstall an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Unter anderem waren darauf teils stark verweste Hühnerkadaver zu sehen, die von ihren lebenden Artgenossen angefressen waren. Dass diese Geschichte nun, mehr als drei Jahre später, noch einmal aktuell wird, liegt daran, dass der Fall nun endgültig abgeschlossen ist. Das Veterinäramt im Landratsamt hat auch den letzten offenen Vorwurf geahndet und ein Bußgeld verhängt, das Müller auch bezahlt hat. Abschließend kann man sagen: Was Müller damals gemacht hat, war falsch. Allerdings, das muss man zu seinen Gunsten auch sagen: Die Sanktion gegen ihn ist relativ mild ausgefallen.

Konkret wurde Müller von Peta vorgeworfen, dass er gegen das Tierschutzgesetz verstoße. „Wegen fortgesetzter Tierquälerei durch Vernachlässigung und fehlende Pflege (...)“, wie es in der Anzeige hieß, die Peta schließlich erstattete. Den Beleg dafür lieferten die Aufnahmen aus dem Stall, die Peta bei einer heimlichen Aktion Anfang November 2015 gemacht hatte.

Wenn der Landwirt lügt, wird es teuer

Müller sagte damals, dass die toten Hühner nicht seine sein könnten, da er jeden Tag durch seinen Stall gehe und tote Tiere, wie vorgeschrieben, entferne. Und er behauptete, dass Peta ihm die Kadaver in den Stall gelegt habe. Das Stuttgarter Landgericht verbot ihm später, diese Behauptung zu wiederholen. Falls er es doch tun sollte, muss Müller ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro bezahlen.

Das Veterinäramt hat nun ein Bußgeld verhängt, über dessen Höhe es keine Auskunft gibt. Aber mehr als ein paar Hundert Euro, schätzen Insider, seien es nicht. Geahndet wurden damit zwei Ordnungswidrigkeiten. Zum einen hat Müller Hühnerkadaver tatsächlich nicht korrekt entsorgt. Zum anderen hat er damals kein Register über seinen Bestand geführt, wie es nach der Geflügelpest-Verordnung Pflicht ist.

Nach dem Aufruhr, den die Peta-Aktion verursacht hat, klingen diese Vergehen relativ harmlos. Tatsächlich hätte wohl grundsätzlich auch eine drastischere Sanktion erfolgen können. Zumal dem Veterinäramt bei einer Kontrolle Mitte November mehrere weitere Verstöße aufgefallen sind. So hatte Müller nicht angezeigt, dass er seinen Bestand aufgestockt hatte. Außerdem gab es für seine Legehennen zu wenige Sitzstangen und Futtertröge.

Einige Vorwürfe sind verjährt

Cornelie Jäger, die frühere Landestierschutzbeauftragte, kam in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Schmerzen und Schäden, die sich die Hühner durch gegenseitiges Bepicken zugefügt hätten, vermeid- oder zumindest begrenzbar gewesen wären. Jäger war von Peta beauftragt worden. Ihre Grundlage waren die Aufnahmen von 2015.

Dass Müller letztlich eine geringe Summe bezahlen musste, liegt daran, dass viele der Vorwürfe verjährt sind: Drei Jahre, nachdem Peta Anzeige erstattet hatte, hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sei nicht mit der „nötigen Sicherheit“ festzustellen, so der Staatsanwalt – und gab die Akte an das Veterinäramt weiter, das für Ordnungswidrigkeiten zuständig ist. Doch zu diesem Zeitpunkt, im April 2018, waren einige dieser Ordnungswidrigkeiten schon verjährt. „Das ist ein Ärgernis“ sagt Edmund Haferbeck, der Leiter der Peta-Rechtsabteilung. Man müsse schon fragen, wie es in einem Stall aussehen muss, damit es wirklich strafbar wird.

Die letzte Kontrolle liegt drei Jahre zurück

In dieser Hinsicht hat das Amtsgericht in Ulm eine Antwort gegeben: Es verurteilte am vorigen Freitag einen Schweinemäster aus Merklingen zu drei Jahren Haft. Wegen katastrophaler Zustände in seinen überfüllten und verdreckten Ställen seien Hunderte Schweine verendet oder hätten wegen Verletzungen getötet werden müssen. Ein solches Urteil gab es noch nie.

Das Veterinäramt in Ludwigsburg ist vorsichtig zuversichtlich, was den Zustand von Müllers Hühnern angeht. „Durch eine konsequente Kontrolldichte ist Herr Müller auf einem guten Weg, die Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung einzuhalten“, heißt es in einer Stellungnahme. Bei den letzten zwei (angekündigten) Kontrollen habe es keine Beanstandungen gegeben. Diese beiden liegen inzwischen drei Jahre zurück. Bei auffälligen Betrieben jedoch, betont die Behörde, werde verstärkt auch ohne Anmeldung kontrolliert.

Kurz vor dem Erscheinen dieses Artikels redet Dieter Müller dann doch noch mit der Presse – über seinen Anwalt. Diesen lässt er ausrichten, dass er sich „alles sehr zu Herzen genommen habe“.

Die Homepage, mit der der Landwirt für seinen Hühnerhof wirbt, sah im November 2015 übrigens nicht viel anders aus als heute. Schon damals scharrten angeblich glückliche Hühner auf einer Wiese, darunter stand: „Uns geht’s gut.“