Antje Päglow, Leiterin der Tierheims Filderstadt, mit einem Babyigel Foto: Caroline Holowiecki

Das Tierheim in Filderstadt päppelt aktuell 19 Igel auf – außergewöhnlich viele für die Jahreszeit. In Heumaden stellen Bürger vorsorglich Futter für die Tiere auf. Was ist da los?

Filder - Kübler, Fräulein Wieland und Fräulein Pflüger bilden eine WG auf Zeit. Wenn sie sich nicht gerade unterm roten Handtuch verkriechen, erkunden sie ihre Plastikbox. Das Schicksal hat es nicht gut gemeint mit den Igelbabys. Eines war in einem Zaun eingeklemmt, das zweite torkelte allein über eine Straße, das dritte war eine Treppe heruntergefallen. Nun können sie sich im Filderstädter Tierheim erholen – in guter Gesellschaft. In der Kiste nebenan wohnen vier Geschwister, die sich allesamt einen Pilz eingefangen und etliche Stacheln eingebüßt haben. Ganze 19 Igel werden aktuell im Tierheim aufgepäppelt. Antje Päglow, die Leiterin, spricht von Jungen, die mit 70 bis 110 Gramm gefunden oder die von Mährobotern verletzt wurden. Viele seien in einem sehr schlechten Zustand gekommen. „Es ist ein schlechtes Igeljahr. Die Igel haben es extrem schwer.“

Insektenarmut und Hitze

Zweierlei Probleme machten den Tieren zu schaffen: die Insektenarmut und die Hitze. Sie erklärt: Die ohnehin schon wenigen Krabbler ziehen sich durch die Trockenheit zurück, so bleibt für Igel wenig Nahrung. „Manche Igel-Organisationen propagieren, ganzjährig Futter aufzustellen“, sagt Antje Päglow. Sie will diese Forderung nicht bewerten. Fakt ist aber: Mittlerweile werden in Not geratene Tiere nicht erst im Spätherbst, sondern ganzjährig gebracht, „das war früher nicht so“. Laut Antje Päglow gibt es in manchen Auffangstationen bereits Aufnahmestopps, auch das Filderstädter Tierheim beschränkt sich aktuell auf Igel aus der eigenen Stadt sowie aus Leinfelden-Echterdingen und Aichtal. Aufwand und Kosten seien hoch. Pro Saison vertilgten die Pflege-Igel allein 700 Kilo Katzenfutter. Außerdem würden ständig Zeitungen und Handtücher benötigt.

In Heumaden haben sich Nachbarn zusammengetan, um einer Igelfamilie vor Ort zu helfen. Im Garten zwischen den Häusern der Familien Wochner und Bachmann sind jüngst immer wieder ausgewachsene Exemplare und sechs Junge aufgetaucht, „wir haben hier viele wilde Ecken, da fühlen sich die Tiere wohl“, sagt Harald Wochner. Sein Nachbar Christoph Bachmann hat aus einer Obstkiste ein simples Häuschen mit einem zehn mal zehn Zentimeter großen Eingang gebaut, in das abends Schälchen mit Futter gestellt werden. „Die sind morgens wie aus der Spülmaschine“, sagt er. Mittlerweile habe er „die Dosis erhöht“. Die Familien freuen sich über die tierischen Gäste. „Die schnaufen und schmatzen, sie sind nicht zu überhören“, sagt Dennis Wochner.

Igel müssen sich Speck anfressen

Auch Tierärzte bieten ihre Hilfe an. Die Veterinärin Ute Wörz versorgt in ihrer Praxis in Plieningen pro Jahr um die zehn, fünfzehn Igel. Ein Indiz, dass etwas nicht stimme, sei, wenn der nachtaktive Säuger tagsüber unterwegs sei, „das ist ein Zeichen, dass er mehr Hunger hat, als er haben sollte“. Denn Igel müssen sich im Sommer und Herbst genug Speck anfressen, um den Winterschlaf zu überstehen. „500 bis 600 Gramm sollten die Ende Oktober, Anfang November schon wiegen“, sagt Ute Wörz. Wer den Verdacht habe, dass es für den kleinen Gartenbewohner eng werden könnte, könne in der Tierhandlung Babykatzenfutter oder spezielle Igelnahrung besorgen.

Auch in Heumaden haben sich die Tiere schon tagsüber gezeigt, bestätigt Harald Wochner. Er findet: „Jeder kann etwas machen.“ Außerdem hat er im Garten im Gebüsch noch ein spezielles Igelhaus aufgestellt, in das sich die Tiere für den Winterschlaf zurückziehen können. „Wir haben überlegt, wie wir sie unterstützen können, damit sie hierbleiben, weil sie hier relativ sicher sind.“ Grundsätzlich rät die Tierärztin Wörz zunächst zur Ruhe, wenn sich irgendwo Igel zeigen. Zunächst solle man beobachten, etwa, ob bei Jungtieren die Mutter in der Nähe sei. Wer unsicher sei, könne sich online beim Verein „Pro Igel“ einlesen. Sei ein Tier aber verletzt oder schwach, werde es in ihrer Praxis durchgecheckt. „Wildtiere werden auf jeden Fall versorgt“, sagt sie, der Finder werde gefragt, ob er die Materialkosten übernehme. Die lägen bei wenigen Euro.