Eine Schleiereule schaut neugierig aus ihrem Nistkasten. Foto: Michael Eick

Die Schleier- und die Waldohreule sind fleißige Mäusevertilger, die man kaum zu Gesicht bekommt. Eine davon haben viele Menschen dagegen bestimmt schon „live“ erlebt – ohne es zu wissen.

Rems-Murr-Kreis - Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Und hier und da scheint es in der Dunkelheit gruselige Gestalten zu geben, die schweben können. Ja, Halloween steht vor der Tür. Doch diese Geister ziehen nicht lärmend von Haus zu Haus auf der Jagd nach Süßigkeiten. Nein, sie fliegen übers offene Feld, um dort eine Maus zu vernaschen. Vielleicht ist dem ein oder anderen Leser schon einmal eine Eule auf dem Schmidener Feld begegnet, lautlos dahingleitend oder auf einem Abendspaziergang durch die Weinberge schemenhaft auf einem Pfosten lauernd. Eine besondere, meist sehr flüchtige und eine eher etwas unheimliche Begegnung.

Stecken Eulen hinter manchem vermeintlichen Spuk?

Mit Sicherheit gehen viele Geistererzählungen auf solche Erlebnisse mit Eulen zurück. Meist sind die typischen Schlossgeister ja fliegende weiße Wesen, die mit grauenerregenden Geräuschen auf sich aufmerksam machen. Und in der Tat, Schleiereule und Waldohreule haben unterseits ein ziemlich helles Gefieder, das bei vielen Schleiereulen sogar komplett weiß ist. Sie fliegen normalerweise vollkommen lautlos dank einer speziellen Flügel- und Federkonstruktion, die Fluggeräusche komplett dämpft.

Manchmal allerdings hört man doch etwas von den nächtlichen Wesen. Die Schleiereule kann scharf schneidende Schreie ausstoßen, ihre Jungen geben seltsam schnarchend-fauchende Töne von sich – Geräusche die ganz gut zu Geistern passen. Auf den Geist geht so manchem aber das durchdringende Fiepen junger Waldohreulen, die von lärmgeplagten Anwohnern meist für „Käuzchen“, oft aber auch für Marder, Siebenschläfer oder andere Tiere gehalten werden.

Hier sind die Waldohreulen in Fellbach zu finden:

Es sind die schrillen Bettelrufe der jungen Waldohreulen, ein alle paar Sekunden lautstark vorgetragenes „Zii-iieh“. Das kann durchaus schlaflose Nächte bereiten, denn eines der Küken einer Eulenfamilie ist garantiert immer hungrig. Der nächtliche Spuk ist meist nach Mitternacht für ein paar Stunden vorbei, wenn alle Schnäbel fürs Erste gefüllt sind. Nach wenigen Wochen Brutzeit und Spektakel im Frühsommer versorgen sich die jungen Eulen selbst.

Zu diesen manchmal unbekannten Begegnungen mit der Waldohreule kommt es, weil diese Eulenart gerne an Ortsrändern zum offenen Feld hin mit entsprechendem Baumbestand brütet. Eigentlich passt der Name Waldohreule nicht besonders gut, denn sie ist eigentlich nie im Wald anzutreffen, sondern eher im Park, in Gärten oder Feldgehölzen.

In den Fellbacher Ortsteilen brütet sie fast alljährlich im Gelände des Maicklerschulzentrums, im Wohngebiet Halde in Schmiden, hinter dem Oeffinger Friedhof, zwischen dem Lindle und Bad Cannstatt, aber auch auf dem Schmidener Feld in entsprechenden Gehölzstrukturen. Dort nutzt sie ausgediente Krähen- oder Elsternester, denn sie baut, wie alle Eulenarten, keine eigene Bleibe. Zur Jagd fliegt sie über offene Wiesen und Felder, taucht dabei durchaus auch im Wengert auf.

Eine junge Eule frisst bis zu fünf Mäuse pro Nacht

Hier begegnet sie des Nachts der Schleiereule, der Eule mit dem herzförmigen Gesichtsschleier, von dem sie ihren Namen hat. Diese hat aber genauso wenig „ein Herz für Mäuse“, sondern eher Appetit auf die kleinen Nager. Beide Arten gehen in den gleichen Lebensräumen auf Beutesuche und verfüttern an ihre Bruten große Mengen Mäuse. Vor allem die Feldmaus steht auf dem Speiseplan ganz oben. Eine Jungeule verschlingt bis zu fünf Mäuse pro Nacht, mehrere tausend Mäuse kann eine Eulenfamilie so pro Saison vertilgen.

Die Schleiereule erbeutet neben Feldmäusen auch Spitzmäuse, die wegen ihrer stark riechenden Drüsen von vielen anderen Mäusejägern gemieden werden. Außerdem krallt sie sich auch die eine oder andere Ratte – ein Grund, weshalb in der Landwirtschaft auf Rodentizide verzichtet werden sollte, weil die fliegenden Rattenfänger die für sie schädliche Substanz über die Beute aufnehmen könnten.

Die Schleiereule brütet bevorzugt in Gebäuden wie Feldscheunen oder Geräteschuppen, wenn es dort einen geeigneten Unterschlupf gibt – am besten Eulennistkästen. Vor vielen Jahren gab es im Türmchen am Alten Friedhof einen bekannten Brutplatz. Der Weg aufs freie Feld wurde für die Eulen jedoch im Laufe der Jahre immer weiter, die verfügbare Feldfläche immer geringer. Irgendwann einmal hat die Schleiereule diesen Platz aufgegeben. Heute findet man sie in und um Fellbach und Kernen nur an wenigen Stellen. Es können etwa fünf Paare eine Brut großziehen, in denen bis zu zehn Junge aufwachsen können.

In kalten Wintern sterben viele Schleiereulen

In schlechten Mäusejahren setzt sie aber manchmal auch komplett aus, es ist dann kein Brutpaar bei uns nachweisbar. Der Bestand der Schleiereule schwankt nämlich – wie jener der Waldohreule – sehr stark, da auch sie sehr abhängig von der Populationsentwicklung der Feldmaus ist. In sogenannten Gradationsjahren, also Jahren mit sehr großen Feldmausbeständen, brütet die Schleiereule sogar mehrmals und kann dann auch im Oktober noch Junge haben.

In schneereichen Wintern können allerdings bis zu 90 Prozent der Population sterben, denn der Körper der Schleiereule kann keine Fettdepots anlegen, um Hungerperioden zu überstehen. Aufgrund der von Jahr zu Jahr schwankenden Beuteverfügbarkeit sind Schleiereulen demnach nicht reviertreu. Auch die Waldohreule ist eher ein „Nomade“, der sich in sogenannten Schlafplatzgesellschaften mit mehr als zehn Individuen einfindet, um bei uns zu überwintern. Dabei sitzt dann Eule an Eule im Geäst, bevorzugt in hohen Nadelbäumen oder Birken. Am Abend schweben die nächtlichen Jäger durch die Straßen, sitzen auf Hausdächern oder Straßenlaternen. Auch in diesem Jahr ist wieder mit mehr Eulen zu rechnen, weil es relativ gute Bruterfolge gab. Die unheimliche, dunkle Jahreszeit mit den nächtlichen „Geistern“ kann also kommen.