Cashmere lässt sich am ehesten knuddeln. An jedem Gastspielort posiert Lacey mit dem Tiger. Foto: factum/Andreas Weise

Der Zirkus Charles Knie gastiert mit seinem weltbekannten Raubtierdompteur Alexander Lacey in Böblingen. Wegen seiner Tiernummern wird der Betrieb heftig kritisiert. Dabei entscheiden immer mehr Richter gegen Verbote.

Böblingen - Cashmere ist der Knuddeltiger für die Kameras. Alexander Lacey steigt zu der Raubkatze in den Käfig, herzt und küsst sie. Noch einmal bitte! Für den Fotografen. Lacey zählt zu den Weltstars unter den Raubtierdompteuren. Er und der Tiger posieren an jedem der 47 Gastspielorte des Zirkus Charles Knie für die Presse. Es ist immer Cashmere zu sehen. Sie ist die zutraulichste unter Laceys Raubkatzen.

Die Flut der immer gleichen Pressefotos hat für den Chef des berühmten Dompteurs, den Geschäftsführer Sascha Melnjak, einen zweifachen Sinn. Zum einen ist, selbstredend, ein Menschenkopf neben einem Tigerkopf immer ein Blickfang. Zum anderen birgt das Bild die Botschaft: Seht her, dieser Mann soll diese Katze quälen?

Peta demonstriert mit fragwürdigen Methoden

Der Zirkus ist in der Stadt – und die Demonstranten protestieren davor, und zwar gegen Wildtierauftritte. An knapp der Hälfte der Gastspielorte, schätzt Melnjak, ist dies das Gegenbild zum Auftritt von Lacey und Cashmere. Zumeist organisiert die Tierschutzorganisation Peta die Proteste. Für sie gelten Tiernummern in Zirkussen grundsätzlich als Verbrechen. Um insbesondere für Wildtierverbote zu werben, hat Peta sich auch fragwürdiger Methoden bedient. Dazu zählen Videosequenzen von Tierquälereien, die irgendwann irgendwo auf der Welt aufgenommen, zusammengeschnitten und mit deutschen Zirkussen verknüpft wurden.

Zumindest derzeit sieht es allerdings so aus, als ob Lacey noch eine ganze Weile mit seinen Katzen auftreten könnte. Aktuell hat der Agrarausschuss des Bundestags am Mittwoch ein bundesweites Wildtierverbot in Zirkusse abgelehnt. Beantragt hatten es die Grünen, die Melnjak „die Verbotspartei“ nennt. Alle Argumente gegen Tiernummern hätten die Zirkusse von Wissenschaftlern entkräften lassen. Ungeachtet dessen haben mehr als 100 Städte ein Verbot für ihre Gemarkung erlassen. Stuttgart zählt dazu, auch Ulm, genauso wie Hameln oder Cleve.

Melnjak zieht sein Handy aus der Tasche und zeigt eine Liste mit Gerichtsurteilen samt Datum und Aktenzeichen. Elf Stück sind es, teilweise von Verwaltungsgerichten, teilweise schon von Oberverwaltungsgerichten. Charles Knie oder Krone klagen mit dem Verband deutscher Circusunternehmen gegen die Verbote. Ihr vorerst letzter juristischer Sieg betrifft Ulm, wo seit 2016 ein Wildtierverbot besteht. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat am 13. September für den Zirkus Krone entschieden. Dagegen hat die Stadt Einspruch erhoben, wie der Ulmer Pressesprecher Frank Raddatz sagt.

12000 Euro kostet der Zirkusbetrieb am Tag

Ihr Argument ist, dass Kommunen grundgesetzlich freigestellt ist, wie sie ihre Flächen verwenden. Ungeachtet dessen „hat das Gericht die Einschränkung der Berufsfreiheit höher gewichtet“, sagt Raddatz. Die Verwaltungsrichter in München und Berlin sahen das anders. Letztlich wird wohl erst eine Entscheidung der letzten Instanz, des Bundesverwaltungsgerichts, Klarheit bringen.

„Wenn das bundesweit so entschieden wird, dann ist das so“, sagt Melnjak. Bis dahin „wäre es so, wie wenn Sie in Böblingen den Führerschein machen und in Stuttgart nicht fahren dürfen“. Einstweilen hat er ein Geschäft mit Tiernummern zu führen. Das Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen ist die letzte Station der Saison. Sie endet am 3. November. Was ein Zirkusleben bedeutet, ist Melnjak anzusehen und verbildlicht sich auch drüben beim Zeltaufbau: Ein Arbeiter vom Format eines Mittelgebirges sinkt auf einem Sack nieder und nickt ein. Für einen Geschäftsführer plaudert Melnjak freizügig über Zahlen. 12 000 Euro täglich verschlinge der Betrieb, fast 1000 koste allein die Platzmiete, weit mehr als andernorts. Im Durchschnitt müssen täglich 1000 Besucher kommen, damit der Betrieb sich rechnet.

Die Abendvorstellung am 1. November fällt trotzdem aus – für die Abschiedsfeier. Danach zerstreuen sich die 96 Zirkusleute zum Überwintern in 13 unterschiedliche Heimatländer.