Thees Uhlmann trat am Dienstagabend coronakonform in der Killesberger Freilichtbühne auf. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Sommernachtsfrische zwischen Romantik und Humor: Thees Uhlmann hat mit „Songs & Stories“ die Freilichtbühne am Killesberg bespielt – dabei aber den Rock’n’Roll vergessen.

Stuttgart - Die besten Clowns – Zirkusgänger und Heinrich-Böll-Leser wissen es – sind oft die traurigsten Menschen dieser Welt. Leicht abgewandelt und ins Musikbusiness übertragen, wäre da zum Beispiel: Thees Uhlmann. „Songs & Stories“ ist die 2020er-Konzertreise des norddeutschen Gitarristensängers und Liedschreibers betitelt, und sie zeigt ihn sozusagen in der modernen Variante dieser beiden Befindlichkeitszustände: einerseits als Stand-up-Comedian, andererseits als melancholischen Romantiker.

In der Rolle als Geschichtenerzähler ist Uhlmann bei seinem Konzert in der Killesberger Freiluftbühne freilich nur – oder immerhin – ein unterhaltsamer Conferencier und Humorist. Eine wirkliche Bereicherung ist er aber als Songautor. Mit viel Mut zum Gefühl verknüpft der 45-Jährige, bis 2012 Kopf der Indierock-Formation Tomte, seither solo unterwegs, in seinen Texten das Kleine mit dem Großen. Und sein Händchen für zugleich liebevolle wie lakonisch distanzierte Beobachtungen der Popkultur haben ihn zum nach Tocotronic-Chef Dirk von Lowtzow zweitbesten Lieferanten von Bonmots gemacht, die auch als Slogans auf T-Shirts gut funktionieren würden. „Alles, was ich über’s Leben weiß / weiß ich aus ‚Stand by me’“ heißt es etwa in seiner Danksagung an die Angst und an den von ihm verehrten Horror-Literaten Steven King; „Du hattest einen Plan vom Leben / ich hatte Fury and the Slaughterhouse“ singt Uhlmann in „Was wird aus Hannover“, seiner versteckten Liebeserklärung an spröde Leine-Metropole, die ihre Reize so konsequent hinter protestantischer Sachlichkeit und niedersächsischer Gleichmut versteckt.

Als wolle man die Nachbarn nicht in ihrer Abendruhe stören

Und seine letzten Wort für den 2018 freiwillig aus dem Leben geschiedenen Star-DJ Avicii gehen schlicht und einfach unter die Haut. Doch Uhlmanns Liedkunst kommt fast ein wenig zu kurz am Killesberg, denn über weite Teile des Abends stürzt er sich lieber in seine Rolle als Entertainer, dankt redselig einem örtlichen Nagelstudio für die Spontanheilung einer am Nachmittag vor dem Konzert aufgetretenen Fingerentzündung und gibt jede Menge Anekdoten zum besten, von denen die originellsten tatsächlich manch skurrilen Kodex der Musikbranche oder das großstädtische Milieu seiner Wahlheimat Berlin porträtieren – etwa sein Erstkontakt mit dem Kollegen Sven Regener von Element Of Crime oder die Begegnungen mit dem „Mädchen von Kasse 2“.

Gleichwohl bleiben zu viele Szenen übrig, in denen Uhlmann mit routiniertem Gespür für seine Zielgruppe und quasi mit Ankündigung um Publikumslacher buhlt – und sie von den dreihundert Besuchern selbstverständlich auch bekommt. So entwickelt sich ein Abend voll schöner Momente, aber auch von vertanen Chancen. Dass Uhlmann statt zu kalauern lieber mehr von seinen schönen Liedern spielen möge, bleibt ein frommer Wunsch, und dass man in Triobesetzung auch vorzüglich rocken könnte, zeigen er und seine Begleiter Simon Frontzeck (Gitarre, Schlagzeug) und Rudi Maier (Keyboards, Gitarre) nicht mal andeutungsweise.

„Zum laichen und sterben ziehen die Lachse den Fluß hinauf“ etwa wäre eigentlich prädestiniert für eine tüchtige Portion Radau, aber seinen vielleicht bekanntesten Song spielen Uhlmann und seine Sidemen so brav und dynamikarm, als wolle man die Nachbarn rund um den Killesberg nicht in ihrer Abendruhe stören. So bleibt es bei einer knapp zweistündigen Sommernachtsfrische, die zwar gut unterhält, aber kaum wirklichen Rock’n’Roll-Gestus atmet.