Am Dienstag um 10 Uhr öffnet die neue Primark-Filiale auf der Königstraße. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Wer am Dienstag in der neuen Primark-Filiale auf der Königstraße in Stuttgart Kleider kauft, kann sie umgehend für soziale Zwecke in die Tonne treten. Mit Spott und einer Demo wird die Billigmodekette begrüßt – aber auch freudig.

Stuttgart - Glücklicherweise steckt nicht der amerikanische Präsident dahinter. Zur Mission „Make The Königstraße Great Again“ (Mach die Königstraße wieder groß) ruft das Kaufhaus Mitte auf, jener Gemischtwarenladen am Schlossplatz, der mit kleinen und regionalen Labels eine Alternative zum Mainstream bieten will.

Die Mission hat an diesem Dienstag ein Ziel: Königstraße 27-29. Dort öffnete um 10 Uhr ein heftig umstrittener Käufermagnet. Die irische Modediscountkette Primark lockte viele Kunden an – und erhielt auch Besuch von Kritikern. Die Grüne Jugend etwa ruft für 10.30 Uhr zur Demo davor auf. Die Spötter der Mach-die-Königstraße-Wieder-Groß-Aktion sagen, auf diesen „Superduberstore“, dem zweiten der Iren in Stuttgart, habe man lange warten müssen.

Primark-Kleider werden an Bedürftige gespendet

„Wir sind vorne mit dabei“, heißt es in ihrem Facebook-Aufruf zum „Primark-Tauschmarathon“. Um 10 Uhr werde man sich vor dem neuen Laden treffen, um Schnäppchen zu machen. Die sollen umgehend entsorgt werden. Vorm Königsbau wird ein Container aufgestellt, in dem man Primark-Kleider werfen kann, um damit zweifach Gutes zu tun. „Zu einem werden wir die Teile an Bedürftige weitergeben,“ versprechen die Macher des Kaufhauses Mitte, „zum anderen wird der Kaufbetrag von allen Teilen in der Tonne von uns an eine wohltätige Organisation gespendet.“

Was Stuttgarter Promis zu Primark sagen

Wenn es um das Billigkaufhaus geht, sind Kritik und Proteste nicht weit. Als vor wenigen Tagen der Textil-Discounter eine Filiale in Münster eröffnete, protestierte dort ein Pfarrer mit den Worten seines Chefs, des Papstes Franziskus. Der Heilige Vater mache die „perverse Logik der Macht des Geldes“ dafür verantwortlich, dass Männer, Frauen und Kinder mit Hungerlöhnen aus dem Teufelskreis der Armut nicht herauskämen. Die Debatte in Westfalen schlug hohe Wellen. „Als ob Apple, Adidas oder Nike die Arbeiter in Bangladesch besser behandeln würden“, war zu lesen. Und junge Leute machten keinen Hehl aus ihrer Freude: „Endlich gibt’s Mode, die man sich leisten kann.“

Was bei Primark geschieht, ist auch Stuttgarter Promis nicht egal. „Traurig“ findet Zauberkünstler Thorsten Strotmann, „dass sich solche Konzepte immer mehr durchsetzen“. DJane Alegra Cole hält „Fast-Fashion“ für „skandalös“. Besser sei es, weniger einzukaufen, dafür nachhaltiger, findet sie. Modedesigner Tobias Siewert wirft den Billigketten vor, „ein Gut in der Gesellschaft auszuhebeln- die Wertschätzung“. Einem designeten Objekt, dem Material, der Arbeit und der Zeit, die Menschen dafür aufwenden, müsse man Respekt erweisen. „Ich bin keine Luxusgöre, die nur auf Designersachen seht“, sagt Model Ramona Bernhard, „aber es gibt auch Fairtrade zu bezahlbaren Preisen.“ Die Künstlerin Iris Caren von Württemberg hält das Primark-Prinzip für „menschenverachtend“. Auf einer edlen Königsstraße habe ein Billigladen nichts verloren, erklärt sie. Travestiekünstler Michael Panzer alias Frl. Wommy Wonder gibt zu bedenken: „Wer aus wirtschaftlichen Gründen zu Primark geht, weil er jeden Euro zweimal umdrehen muss, dem kann man sein Verhalten nicht vorwerfen – da muss die Politik ran!“

Dem Ramschrausch sind schon viele erlegen

Chris Fleischhauer, der Startup-Gründer der Modefirma Gentsbox, sieht das Positive: „Die Marke sorgt dafür, dass sich die Frequenz auf der Königstraße erhöht, woran der Handel insgesamt partizipiert.“ Das Fazit von Designerin Lissi Fritzenschaft lautet: „Salomon der Weise spricht, ohne Primark geht’s wohl nicht.“

Der Streit um den irischen Sparriesen ist für diesen Werbung mit anderen Mitteln. Bestimmt freut sich Primark über die Aktion „Make The Königstraße Great Again“. Dem Ramschrausch, ach ja, sind schon sehr viele erlegen.