Islamisten-Prozess an historischer Stätte: der Syrer Khalifa S. vor Gericht in Stammheim Foto: dpa

Im Prozess gegen ein 25-jährigen Syrer ist sich der Staatsanwalt sicher, dass es sich dabei um einen Terroristen handelt. Der Verteidiger des Angeklagten besteht weiter auf Freispruch. Nächste Woche folgt das Urteil.

Stuttgart - „Ich habe nur meinen Ort und meine Familie verteidigt. Wenn ich deshalb verurteilt werde, dann verstehe ich die Gesetze dieses Landes nicht“, sagte der Angeklagte Khalifa S. gegen Endes des Terrorprozesses vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. „Ich bitte um einen Freispruch“, sagte der 25-jährige Syrer an die Adresse der drei Richter des dritten Strafsenats in Stammheim gerichtet.

Der Fall des jungen Syrers, der im Herbst 2015 nach Deutschland flüchtete und bis zu seiner Festnahme im Kreis Böblingen wohnte, machte Schlagzeilen. Weil hier nach deutschem Recht Terror auch in der Barbarei des syrischen Bürgerkrieges verfolgt wird. Und weil der Angeklagte Mitte Januar in einen Hungerstreik getreten war, um seine Freilassung zu erzwingen.

Nach seinem gut einstündigen Plädoyer forderte Oberstaatsanwalt Eckard Maak eine Gesamtstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Für ihn steht fest, dass Khalifa S. ein Terrorist ist, der sich spätestens im Sommer 2013 in seiner ostsyrischen Heimatstadt Hajin der Terrororganisation Jabhat al-Nusra (JaN) angeschlossen hat. Und der sich in acht Fällen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz schuldig gemacht hat. Zwar sei der Angeklagte im Frühjahr 2013 zunächst Mitglied der „Märtyrer von Hajin“ geworden. Diese lokale Gruppe sei 2014 aber in der Jabhat al-Nusra aufgegangen, die in ihren Zielen mit dem Islamischen Staat (IS) verwandt sei. „Es handelte sich dabei nicht um eine bewaffnete Selbstverteidigung der syrischen Bevölkerung“, unterstrich Maak. Um diesen Vorwurf zu untermauern, stützte sich die Anklage auf zahlreiche Fotos, die den Angeklagten bewaffnet und mit schwarzem Jabhat-Stirnband oder -Fahne zeigen. Auch ein Video liegt vor, Khalifa S. inmitten einer kleiner Gruppe von Männern, und auf der Tonspur werden die „Helden der Jabhat al-Nusra“ besungen.

„Der Angeklagte hat nie alles erzählt“

Als Beleg dafür, dass der Angeklagte aus freien Stücken und keineswegs unter Zwang bei der international als Terrororganisation eingestuften JaN mitmachte, führte Maak das Beispiel des Bruders von Khalifa S. an, der sich, obwohl ebenfalls vor Ort, von diesen Aktivitäten fernhielt. „Der Angeklagte hat uns nie alles erzählt“, sagte Maak. Als strafmildernd bewertete er, dass der Beschuldigte gegen die IS-Terroristen gekämpft hat. Außerdem das „Missgeschick, ohne das die Ermittler nie auf die Spur des Angeklagten gekommen wären“: Im Oktober 2015 hatten Reinigungskräfte in einem Zug zwischen Görlitz und Dresden neben den Ausweispapieren von Khalifa S. auch eine Speicherkarte mit zahlreichen Fotos und Videos gefunden.

Verteidiger Daniel Wolff sah die Dinge ganz anders. Er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Schließlich habe dieser kooperiert. Zwar sei dessen lokale Gruppe, die „Märtyrer von Hajin“, schleichend in den Strukturen der Terrororganisation Jabhat al-Nusra aufgegangen. Hätte der Angeklagte aber eine andere Wahl gehabt? Nein, meinte sein Verteidiger. „In dieser militärischen Organisation musste er den Befehlen Folge leisten.“ Doch es gebe von Khalifa S. keinerlei islamistische Äußerungen.

Nach seiner Ankunft in Deutschland habe er sich gut integriert. Er fing an, Deutsch zu lernen, engagierte sich in einem Sportverein. Dass er aber schon zwei Mal wegen Ladendiebstahls verurteilt wurde, verschweigt der Anwalt. In seinen Augen ist die Sache klar: Für eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zähle auch, dass man sich mit deren Zielen identifiziert. Das schloss Wolff für seinen Mandanten aus: „Dies alles lässt nur den Schluss zu, dass er mit den menschenverachtenden Zielen der Jabhat al-Nusra nicht einverstanden ist.“ Am kommenden Dienstag wollen die Richter ihr Urteil fällen. Zwischen den Zeilen machte der Anwalt klar, dass er mit einer Verurteilung zu einer Haftstrafe rechnet.