Ein Blitzer-Anhänger am Rande der Autobahn: Im Südwesten wurden schon 23 000 Sünder erwischt. Foto: dpa

Die Polizei testet im Südwesten einen neuen Blitzer-Anhänger, der tagelang am Straßenrand abgestellt und dann wieder verpflanzt werden kann.

Stuttgart - Ja, er sei „schon ein bisschen in Eile gewesen“, sagt der ältere Passat-Fahrer. Fast täglich ist der Mann aus Möhringen auf der A 8 von Stuttgart in Richtung Wendlingen und zurück unterwegs, und die Baustelle auf Höhe der Raststätte Denkendorf ist ihm wohlbekannt. An diesem Vormittag ist er in einem Abschnitt, an dem Tempo 80 gilt, mit 96 Kilometer pro Stunde unterwegs – und schon blitzt es.

Warnbaken, gelbe Spurenverschwenkungen, Hinweisschilder – da fällt so ein großer grauer Anhänger am Fahrbahnrand der Autobahn nicht weiter auf. Sollte er aber: Das baden-württembergische Innenministerium testet eine neues Instrument gegen Temposünder – einen teilstationären Blitzer, der per Anhänger abgestellt wird und nach Tagen schnell verpflanzt werden kann.

Und wie schnell war der Schnellste?

Der Möhringer ist nicht der einzige, der von dem besonderen Blitz getroffen wurde. Anfang November 2018 hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) der Polizei den neuen Blitzer übergeben – und seither gab es ein wahres Blitzgewitter. Etwa 23 000 Temposünder wurden seither erwischt. Der Schnellste bei Denkendorf war mit 184 Kilometer pro Stunde unterwegs.

Vielleicht wären der Passat-Fahrer und die 22 999 anderen Betroffenen ungeschoren davongekommen – wenn gestimmt hätte, was das Landesinnenministerium im November vergangenen Jahres unserer Zeitung zur Auskunft gegeben hatte: Man sei noch in einer Testphase, man müsse die Beamten noch schulen, und alles müsse erst einmal rechtssicher sein bis Januar. Also bleibe alles erst einmal ohne Folgen.

Erstaunlich schnell scharf gestellt

Doch weit gefehlt: Zwar sei der Blitzer-Anhänger bis zum 28. Februar im Testbetrieb, sagt Ministeriumssprecher Renato Gigliotti am Donnerstag auf Nachfrage. „Aber das Gerät war schon geeicht, abgenommen und einsatzbereit“, so Gigliotti. Ein geschulter Polizist, der nun alle anderen Beamten als Multiplikator ausbildet, habe damals sofort mit rechtskräftigen Messungen beginnen können. Seine damalige Aussage sei daher leider missverständlich gewesen, bedauert der Sprecher.

Bei anderen Projekten der Tempoüberwachung wird freilich nicht so schnell scharf geschossen. Die stationären Blitzer an der A 8 zwischen Leonberg und dem Flughafen beispielsweise brauchten mehrere Wochen, ehe sie in Betrieb genommen wurden. Wegen Nacharbeiten musste 2014 sogar fast die Hälfte der 240 000 Bußgeldbescheide in den Papierkorb geworfen werden.

Fast alle Fotos sind offenbar verwertbar

Die neuen Blitzer-Anhänger scheinen dagegen höchst zuverlässig zu sein. Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes verwertet fast alle Vorgänge – die Quoten liegen zwischen 90 und 94 Prozent. Normalerweise liegt diese Quote eher bei zwei Dritteln. „An der Baustelle in Denkendorf wurden in Richtung München letztlich 3087 Fälle ins Bußgeldverfahren eingespielt, in Richtung Karlsruhe 10 490 Fälle“, sagt Dienststellenleiter Karl-Heinz Klenk.

Dazu gehört auch der ältere Passat-Besitzer aus Möhringen, bei dem 30 Euro fällig werden. Damit liegt er übrigens im statistischen Schnitt. Das bedeutet: Bei inzwischen 23 000 Sündern und 90-prozentiger tatsächlicher Bußgeldquote hat der Blitzer jetzt schon mehr als 600 000 Euro eingespielt.

Die Stadt Stuttgart hat an der B 14 am Neckartor ein anderes Fabrikat eines Blitzer-Anhängers im Einsatz. Autofahrer sollen Tempo 40 fahren, um den Stickstoffausstoß zu reduzieren. In den ersten zwei Monaten wurden 16 000 Temposünder geblitzt. Neuere Zahlen liegen nicht vor: „Das Versuchsprojekt wird bis zum Frühjahr 2019 verlängert“, sagt Stadtsprecherin Jana Steinbeck. Erst dann gebe es eine Auswertung.

Der Möhringer Passat-Fahrer jedenfalls will nach dem Blitz an der Autobahn noch strenger auf Tempolimits achten: „Schließlich bin da jetzt ein gebranntes Kind.“