Bei Batterien muss die Chemie stimmen – Forscher experimentieren deshalb mit verschiedenen Stoffen und Materialien. Foto: Fraunhofer ICT

Der Bedarf an Stromspeichern wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Der Energieversorger EWE baut deshalb in einem Salzstock eine riesige Redox-Flow-Batterie. Eine Anwendung dieser Technik in Elektroautos gilt aber als unwahrscheinlich.

Stuttgart - Jemgum ist ein Dorf in Ostfriesland, von dem man in anderen Teilen Deutschlands eher wenig mitbekommt – es sei denn, man interessiert sich für das Thema Energiespeicherung. Denn die 3500-Einwohner-Gemeinde in der Nähe von Leer ist vom Oldenburger Energieversorger EWE zum Standort der „größten Batterie der Welt“ auserkoren worden. Der Grund verbirgt sich unter der Erde: ein gewaltiger Salzstock, dessen Hohlräume bislang als Erdgasspeicher dienen. In einigen Jahren soll dort neben Gas auch elektrische Energie gespeichert werden.

Das Thema Energiespeicherung wird immer wichtiger, weil der Anteil der unsteten Stromlieferanten Wind und Sonne weiter steigt. Es gibt viele Möglichkeiten, Strom, der gerade nicht benötigt wird, für später zurückzulegen – etwa Pumpspeicher oder stationäre Lithium-Ionen-Batterien. Die EWE setzt in Jemgum auf eine sogenannte Redox-Flow-Batterie. Die riesigen Salzkavernen sollen dabei als Tanks für Chemikalien dienen, in denen sich elektrische Energie speichern lässt.

Das Prinzip der Redox-Flow-Batterie ist nicht neu. Ein entsprechendes Patent wurde bereits 1949 angemeldet. Auch die grundlegende Funktion unterscheidet sich nicht von anderen Akkumulatoren, wie wiederaufladbare Batterien in der Fachsprache genannt werden. Die beiden Pole – auch Elektroden genannt – bestehen aus Materialien, die Elektronen unterschiedlich fest an sich binden. Verbindet man sie miteinander, fließen Elektronen von einem Pol zum anderen. Diesen Elektronenfluss kann man nutzen, um etwa eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen oder einen Elektromotor zu betreiben. Irgendwann versiegt der Strom der Elektronen, und der Akku muss geladen werden. Dazu werden die Elektronen wieder zum entgegengesetzten Pol zurücktransportiert. Bei diesem Prozess muss elektrische Energie aufgewendet werden, die zum Beispiel aus einem Generator oder einer Solaranlage stammt.

Flüssigkeiten als Speichermedium

Während bei den derzeit dominierenden Akkus für beide Pole feste Materialien wie Grafit und Lithiumverbindungen verwendet werden, dienen bei Redox-Flow-Batterien Flüssigkeiten als Speichermedium. Üblich sind zum Beispiel in Säure gelöste Verbindungen des Schwermetalls Vanadium, die Elektronen aufnehmen und wieder abgeben können.

Redox-Flow-Batterien haben mit Blick auf die Speicherung erneuerbarer Energien einige Vorteile. So lässt sich die Kapazität bei Bedarf einfach durch zusätzliche Flüssigkeitstanks erhöhen. Hinzu kommen ein hoher Wirkungsgrad und eine lange Nutzungsdauer. Jens Tübke vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hält bei entsprechender Wartung Einsatzzeiten von 30 bis 40 Jahren für möglich.

„Lithium-Ionen-Akkus müsste man in dieser Zeit mindestens dreimal austauschen“, sagt der Professor am Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik am KIT, der zugleich Produktbereichsleiter am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal ist. Ein Vorteil ist auch, dass keine Selbstentladung möglich ist, weil die Speicherflüssigkeiten in getrennten Tanks gelagert werden. Redox-Flow-Batterien sind zudem unempfindlich gegenüber extremer Tiefentladung und kennen keinen Memory-Effekt, der bei manchen anderen Akkus die nutzbare Kapazität verringert.

Niedrige Speicherkosten

Tübke geht davon aus, dass sich mit Flüssigbatterien niedrigere Speicherkosten erreichen lassen als etwa mit Lithium-Ionen-Akkus. Die Elektrolytflüssigkeiten altern nicht und können am Ende der Nutzungsdauer weiterverwendet werden. Durch den modularen Aufbau lassen sich einzelne Komponenten leicht austauschen.

In Pfinztal untersuchen die Forscher unter anderem, welche Chemikalien und Materialkombinationen die beste Relation zwischen Leistung und Kosten versprechen. Flüssigbatterien haben indes einen entscheidenden Nachteil: Sie weisen eine viel geringere Energiedichte auf als andere Batterietypen. „Bei gleichem Gewicht speichern sie nur ein Siebtel der Energie eines Lithium-Ionen-Akkus“, sagt Tübke. Auf das Volumen bezogen sei die Energiedichte sogar zehnmal schlechter. „Wir liegen hier etwa im Bereich von Bleibatterien“, so Tübke. Damit scheidet die Anwendung in Elektroautos oder elektrischen Flugzeugen aus.

Selbst mit den leistungsfähigsten derzeit verfügbaren Lithium-Ionen-Batterien tun sich Ingenieure immer noch schwer, Elektroautos mit akzeptablen Reichweiten zu bauen. So erscheint es geradezu undenkbar, dass die Batterieentwickler zu einer Technik greifen könnten, die in puncto Energiedichte noch einmal deutlich schlechter abschneidet. Bei der Nanoflowcell AG sieht man das anders. Glaubt man den Angaben des Liechtensteiner Unternehmens, lassen sich, mit Redox-Flow-Batterien Elektroautos mit Reichweiten von 1000 und mehr Kilometern bauen, die zudem mit rennwagenähnlichen Fahrleistungen glänzen. Und anders als ein Auto mit Lithium-Ionen-Batterie, das zeitaufwendig geladen werden muss, sollen sich die Nanoflowcell-Flitzer so schnell mit neuer Elektrolytflüssigkeit betanken lassen wie ein konventionelles Auto mit Benzin oder Diesel.

Zweifel an einer Serienproduktion

Tester der Zeitschrift „Auto, Motor und Sport“ durften einen Prototypen aus Liechtenstein Probe fahren und zeigten sich angetan von der Performance. Einen genaueren Blick auf die Technik werfen oder den Tankvorgang beobachten konnten sie aber nicht. Batterieexperte Tübke ist skeptisch, dass sich die spektakulären Leistungsdaten mit einer Redox-Flow-Batterie erreichen lassen. Bis heute habe das Unternehmen nicht klar kommuniziert, wie die Technologie im Detail aufgebaut ist. Auch die Zusammensetzung des Elektrolyts wird geheim gehalten. In Fachkreisen wird bezweifelt, dass die Autos je in Serie gebaut werden.

Bei der Megabatterie in Jemgum sind die Planungen schon etwas konkreter. Die EWE-Verantwortlichen gehen davon aus, dass Ende 2023 die erste Kavernenbatterie in Betrieb gehen kann. Bis dahin arbeiten die Forscher noch mit großdimensionierten Kunststofftanks, um das System zu optimieren. Wenn die größte Batterie der Welt fertig ist, soll sie eine Millionenmetropole wie Berlin für eine Stunde mit Strom versorgen können.

Batterien als Energiespeicher

Prinzip In einer Batterie entsteht durch eine chemische Reaktion eine elektrische Spannung. Wird eine Verbindung zwischen den beiden Polen hergestellt, fließen Elektronen vom negativen (Anode) zum positiven Pol (Kathode). Bei wiederaufladbaren Batterien, auch Akkumulatoren genannt, ist der Prozess reversibel: Die Chemikalien werden beim Laden wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt.

Aufbau Die kleinste Einheit eines Akkus sind die sogenannten Zellen, in denen die aktiven Materialien in dünnen Schichten übereinanderliegen. Für den praktischen Einsatz werden die Zellen zu größeren Einheiten gebündelt. Nötig sind zudem ein Gehäuse, Kühlsysteme und eine Elektronik, die alles steuert.

Kennzahlen Für die Anwendung sind neben den Kosten und der Zahl der Ladezyklen die maximale Leistung in Watt sowie die Speicherkapazität in Wattstunden entscheidend. Eine Batterie mit 2000 Wattstunden kann eine Stunde lang einen Föhn mit 2000 Watt versorgen. Bezieht man die Kapazität auf Gewicht oder Volumen, erhält man die Energiedichte. Analog lässt sich die Leistungsdichte berechnen.

Beispiele Moderne Lithium-Ionen-Akkus speichern rund 180 Wattstunden pro Kilogramm. Der Batterieexperte Jens Tübke hält in den nächsten zehn Jahren eine Verbesserung auf mehr als 250 Wattstunden für möglich. Auch das wäre noch weit von der Energiedichte von Benzin – rund 12 000 Wattstunden pro Kilogramm – entfernt. Allerdings braucht ein Elektroauto durch den viel höheren Wirkungsgrad des Elektromotors pro Kilometer weniger Energie als ein Benziner oder Diesel.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.batterietechnik-das-rennen-umden-besten-speicher.ace04c55-384c-42f7-a30c-bc97ae2fc3aa.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.zellfertigung-in-deutschland-autoindustrie-scheut-zellenfertigung.c305ef12-fa00-4173-b573-ebc19a1449e8.html