Ex-VfB-Kapitän Serdar Tasci: Über Moskau zu den Bayern Foto: Baumann

Eigentlich logisch, dass der FC Bayern dort nach Personal sucht, wo die Wege am kürzesten sind. Der Handel auf der Südschiene funktioniert gut, Qualität vom VfB ist in München gefragt. Auch über Umwege: siehe Tasci. Umgekehrt ist der Handel aber zum Erliegen gekommen.

Stuttgart - Als Dieter Hoeneß 1979 für das Nasenwasser von 90 000 Euro vom VfB Stuttgart zum FC Bayern München wechselte, empörte sich Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder über den Landesverrat, und es fehlte nicht viel, dass sie irgendwo nahe Ulm die weiß-roten Schlagbäume aufgebaut hätten.

Bilaterale Verhandlungen verhinderten größere diplomatische Störungen, und der sich anschließende Wandel durch Annäherung erwies sich auch für den VfB Stuttgart nicht als Schaden: Asgeir Sigurvinsson fällt einem ein, Kurt Niedermayer, Thomas Strunz, Thomas Berthold, Georg Niedermeier oder auch die Leihgabe Philipp Lahm.

Der Handelsweg von München nach Stuttgart verlor im Lauf der Jahre allerdings an Bedeutung – er war ein wenig kostspielig geworden. Jetzt landet auf der umgekehrten Route wieder ein Eigengewächs vom Neckarstrand in der Bayern-Metropole: Serdar Tasci (28) wird neuer Verteidigungsminister in der Abwehr des Klassenbesten. Er trug immerhin schon die Kapitänsbinde beim Stolz württembergischer Fußballseelen und bleibt schon deshalb in bester Erinnerung, weil er zu der Mannschaft gehörte, die 2007 die Meisterschale mal wieder nach Stuttgart holte.

Zwar wählte der Deutschtürke den Umweg über (Spartak) Moskau nach München, trotzdem erinnert der Wechsel seines Arbeitsplatzes an den fast schon traditionellen Personalaustausch auf der Südschiene. Qualität made in Stuttgart wusste man im Freistaat eben schon immer zu schätzen.

Auf einer Linie mit Gomez und Khedira

Schade nur, dass der FC Bayern die Leihgebühr von rund 2,5 Millionen Euro an die Russen statt an den Cannstatter Verein für Bewegungsspiele zahlt. Denn eigentlich hatte Tasci (Ablösesumme rund 3,5 Millionen Euro) dem VfB auch deshalb den Rücken gekehrt, weil er vor Ort nicht mehr die Wertschätzung genoss, die er für sich reklamierte. Außerdem sah er sich stets auf einer Linie mit seinen Kumpels aus alten Zeiten wie Sami Khedira oder Mario Gomez. Nicht ganz zu vernachlässigen ist auch, dass Tasci bei Spartak sechs Millionen Euro brutto im Jahr verdienen konnte. Das reicht für das eine oder andere Reihenhäuschen. Aber weil nun mal Stürmer die Tore schießen, holte der FC Bayern 2009 erst den VfB-Torjäger für stattliche 35 Millionen Euro, 2015 legte er für das Toptalent Joshua Kimmich sieben Millionen auf den Tisch und vor Beginn dieser Spielzeit noch mal 3,5 Millionen Euro für Torhüter Sven Ulreich.

Ehe jetzt Serdar Tasci ein wenig überraschend das Interesse des Renommierclubs weckte. Weil Jérôme Boateng und Javier Martinez zwar in kurzen Zeitabständen, aber für längere Zeit den gelben Schein einreichten, Holger Badstuber und Benatia als verletzungsanfällig gelten, musste es Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge halten wie einst Konrad Adenauer. „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“ Es sei kein brauchbarer Innenverteidiger auf dem Markt, beschied er tags zuvor noch alle, die fragten, wie er die Lücke in der Abwehr zu füllen gedenke.

Weshalb Tasci jetzt als gefühlter Notnagel in die Hauptrolle schlüpfen muss. Zumindest vorübergehend. Unumstritten ist das nicht: Es gibt Experten, die schätzen, dass er mit seinen 28 Jahren das Beste schon hinter sich hat. Und es gibt Stimmen wie Lothar Matthäus, der den Re-Import für eine ziemlich gute Idee hält. „Er kennt die Bundesliga und hat auch auf höchstem Niveau gespielt.“ Vermutlich sieht es Sportvorstand Matthias Sammer ganz ähnlich. Wieder so ein Ehemaliger vom VfB, der immer noch weiß, wie die Vorwahl von Stuttgart lautet.

Unbezahlbar für den VfB

Ganz gleich wie man die Causa sieht: Tascis Zeit als Nationalspieler, WM-Teilnehmer (2010) und Souverän beim VfB ist eben schon eine Weile her. Und nach allem was man weiß, gibt es in Russland keine fünf Vereine, denen auf europäischem Topniveau nicht die Luft ausgehen würde. Ungeachtet der gelinden Zweifel verspricht sich Bayern-Coach Pep Guardiola von Tasci das, was Bundestrainer Joachim Löw an ihm schätzte: Abgeklärtheit, Zweikampfstärke und Klasse in der Spieleröffnung.

Weil sie in Russland zurzeit Winterpause machen, saß Tasci neulich noch auf der Tribüne beim VfB. Und Sportvorstand Robin Dutt beeilte sich, den Romantikern zu erklären, dass eine Rückkehr so realistisch ist wie eine Vierschanzentournee am Piz Mus. „Wir sind weit davon entfernt, russische Gehälter zahlen zu können.“ Es reicht ja nicht mal mehr für die Ersatzspieler vom FC Bayern.