Klinikärzte müssen oft auch außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeiten anpacken. Foto: dpa

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat sich für die anstehende Tarifrunde ein klares Ziel auf die Fahnen geschrieben: bessere planbare Arbeitszeiten, weniger Belastung und mehr Freizeit. Damit kanalisiert sie den Frust ihrer Mitglieder in den Krankenhäusern auch im Südwesten.

Stuttgart - Die Tarifforderung des Marburger Bundes fällt moderat aus: Fünf Prozent mehr Gehalt sollen die 55 000 Ärzte an den bundesweit gut 500 kommunalen Kliniken nach der neuen Tarifrunde verdienen. Die Zurückhaltung hat einen Grund: Im Kern geht es der Ärztegewerkschaft um günstigere Arbeitsbedingungen. Dazu will sie nun mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) über konkrete Fortschritte verhandeln.

Das Gros der Mitglieder würde keinen so großen Wert auf Lohnzuwachs legen, berichtet der baden-württembergische Vorsitzende Frank Joachim Reuther unserer Zeitung. „Sie sagen: Wir haben keine Lust mehr zu diesem Beruf – und die Lohnprozente ändern daran nicht viel.“ Der Hauptwunsch sei daher eine „besser planbare, weniger belastete Arbeit“. Einen Beleg für diese These sieht er in einer vor zwei Monaten veröffentlichten repräsentativen Umfrage unter 3320 Ärzten im Südwesten.

Marburger Bund baut Druck auf

„Wir treten an für einen neuen Umgang der Krankenhäuser mit der Arbeitszeit ihrer Ärzte“, betonte der Bundesvorsitzende Rudolf Henke in Berlin. Konkretes Ziel ist eine „objektive, automatisierte und manipulationsfreie Arbeitszeiterfassung“. Ohne solche vom Marburger Bund lizenzierte Systeme werde man die Anordnung von Bereitschaftsdiensten nicht mehr erlauben. Eine Erfassung gibt es bisher in relativ wenigen Kliniken. Viele Arbeitgeber würden das Fehler solcher Systeme zu ihren Gunsten ausnutzen, rügt Reuther.

Schon öfter hat der Marburger Bund darauf hingewiesen – vergeblich. Der Landesvorsitzende erklärt dies mit der ständigen Fokussierung der Tarifrunden auf die Lohnprozente. Für die Arbeitgeber seien Gehaltssteigerungen in den Budgets gut planbar. Da viele Kliniken jedoch sehr viel Geld durch eine unschätzbare Zahl nicht vergüteter Überstunden einsparten, mauerten die Träger massiv gegen eine solche Erfassung. Besonders gelte dies für große Häuser, während die Geschäftsführer kleiner Kliniken eher mit Weitsicht agierten. Das müssen sie wohl auch, denn der Ärztemangel ist vielerorts greifbar. Zwar wollten viele junge Menschen Medizin studieren, doch landeten sie nicht alle in den Kliniken, erläutert Landeschef Reuther, der selbst im Bundeswehrkrankenhaus Ulm tätig ist. Folglich müssen immer mehr ausländische Ärzte eingestellt werden, obwohl die Arbeitgeber lieber Kollegen aus dem deutschsprachigen Raum nehmen. Je mehr Osteuropäer beschäftigt werden, desto größer ist folglich der Fachkräftemangel.

Junge Ärzte wollen moderne Arbeitszeitmodelle

Hinzu kommt ein weiterer sich verstärkender Trend: Vermehrt wechseln junge Mediziner von Vollzeit auf Teilzeit, um öfter Freizeit zu haben und die Work-Life-Balance in den Griff zu bekommen. „Das ist schwierig, wenn man keinen Einfluss auf Arbeitszeitgestaltung hat“, sagt Reuther. Nicht selten ist die Partnerin auch Ärztin, so dass die Arbeitszeiten vereinbart werden müssen. Das alte Modell, wonach der Hauptverdiener sich quasi zu Tode schafft, ansonsten aber kaum bei der Familie zu sehen ist – „das wollen nur noch wenige“.

Auch beim Bereitschaftsdienst schweben dem Marburger Bund eine Reihe von Veränderungen vor. Dadurch, so wenden die kommunalen Arbeitgeber ein, würden die Entgelte für Bereitschaftsdienste um mindestens 40 Prozent erhöht – in den obersten Entgeltgruppen gar um bis zu 110 Prozent. Insgesamt habe das Forderungspaket einen Wert von rund 521 Millionen Euro, was im Schnitt einer prozentualen Mehrbelastung der Kliniken von rund 9,5 Prozent entspreche. „Diese Forderungen sprengen jeglichen Rahmen“, betont VKA-Verhandlungsführer Dirk Tenzer.

Die Tarifverhandlungen beginnen am 21. Januar. Weitere Termine sind der 20./21. Februar und der 11./12. März.