Britta Gemner als Frau, die buchstäblich in den Seilen hängt Foto: Heike Mondschein

Thomas Köck erkundet mit seinem Stück „Abfall der Welt“ im Theater Rampe verschiedene Dimensionen des menschlichen Mülls. Es gibt klare Bilder und starke Aussagen.

Stuttgart - Warum werden Biogurken im Supermarkt eigentlich in Plastik eingewickelt? Was passiert mit meinen gelöschten Facebook-Kommentaren? Und wie viel Atommüll landet jetzt nochmal genau im Atlantik? In fragmentarischen Episoden steckt Thomas Köcks eindringliches Performance-Stück „Abfall der Welt“ im Theater Rampe die Grenzen des Mülls als Phänomen ab – und wird dabei weit philosophischer als man vielleicht denken könnte.

Einmal zum Beispiel erzählt eine Balletttänzerin (beeindruckend in Tanz und Schauspiel: Ariel Cohen) lächelnd von einem Leben, in dem sie sich immer wieder neu erfindet und ihren Körper durch die Kunst gleichzeitig langsam zerschmettert. „My body is Trash“ haucht sie ins Mikrofon und wirkt dabei fast so fragil wie die schmalen Zehen, die sie sich inzwischen dreimal gebrochen hat. Daneben sucht ein Wissenschaftler verzweifelt nach einem Weg, sich selbst zu löschen, und steht gleichzeitig vor der Erkenntnis, dass kein Bewusstsein sich eliminieren kann, ohne dabei Spuren – Restmüll – zu hinterlassen. Eine Frau hingegen schaut mit bangem Blick auf ein Deutschland, das systematisch menschlichen Abfall produziert. Diejenigen nämlich, die aus dem Raster fallen und als Abwärtsvergleich dafür sorgen, dass alle anderen sich über dem sprichwörtlichen Strich wohl fühlen können.

Buchstäblich in den Seilen

In all seiner Bruchstückhaftigkeit ist „Abfall der Welt“ dabei auf viele Arten systemkritisch. Wohlüberlegt setzt Köck Szenarien nebeneinander, die weit mehr umfassen als politische Ideologien und ökologische Debatten: Leistungsdruck, Sprache, Erinnerungen, Historie. Am Ende steht die Vision einer Welt, die mehr Abfall produziert als den, der auf dem Recyclinghof landet.

Dass all das trotz seiner sprachlichen Wucht nicht dogmatisch wirkt, ist auch der Inszenierung von Marie Bues und Nicki Liszta zu verdanken. Denn sie lässt viel Raum für Offenheit und Performance. Die Bühne – ein quadratisches Metallgestell – wird zu einem kaum greifbaren Irgendwo, einem Abseits-Ort, an dem die Figuren sich unter bunten, von der Decke hängenden Neontapes selbst kompostieren. Mal zerfallen sie zu fleischigen, nutzlosen Körperklumpen, die in sich zusammensacken und von den jeweils anderen über den Boden geschleift werden. Mal rütteln sie an den Grenzen des Erinnerungsgefängnisses, in das sie das Gestell mithilfe von Absperrband verwandelt haben. Mal hängt eine von ihnen buchstäblich in den Seilen, während die anderen ein Kollektiv bilden, das mit mechanischen Anweisungen ihre Bewegungen scannt. So entwickeln die beiden Regisseurinnen eine Inszenierung, die man dank ihrer performativen Offenheit mit klaren Bildern und starken Aussagen verlässt.

Weitere Vorstellungen: 23. und 24. März, 4., 5. und 7. April, jeweils um 20 Uhr