Mit „Systemsprenger“ hat sie bereits den Silbernen Bären der Berlinale gewonnen: Nora Fingscheidt. Foto: dpa

Steiler kann es nicht nach oben gehen: Mit ihrer Abschlussarbeit an der Ludwigsburger Filmakademie, dem Kinderdrama „Systemsprenger“, ist Nora Fingscheidt im Oscar-Rennen – und die Akademie bekräftigt ihren Ruf als cineastische Kaderschmiede.

Stuttgart - Seit 1948 wird ein Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film vergeben. Drei Deutsche haben ihn bislang gewonnen: Volker Schlöndorff mit der „Blechtrommel“ (1980), Caroline Link mit „Nirgendwo in Afrika“ (2003) und Florian Henckel von Donnersmarck mit „Das Leben der anderen“ (2007). Nun besteht wieder Hoffnung auf einen Triumph, denn eine neunköpfige Jury hat beschlossen, einen in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen deutschen Beitrag ins nächste Rennen zu schicken: „Systemsprenger“.

„Systemsprenger“ ist der Diplomfilm von Nora Fingscheidt an der Ludwigsburger Filmakademie. Für das Drehbuch hat die gebürtige Braunschweigerin 2017 den Thomas-Strittmatter-Preis des Landes Baden-Württemberg bekommen, für den fertigen Film bei der diesjährigen Berlinale einen Silbernen Bären sowie den Alfred-Bauer-Preis für einen Film, der neue Perspektiven eröffnet. Fingscheidt erzählt in ihrem Langfilmdebüt von einem Kind, das keine Kontrolle über seine Emotionen hat, die Pädagogen überfordert, ständig ausrastet und deswegen nirgends ein Zuhause findet.

Wie vor zwei Jahren die Ludwigsburg- Absolventin Anne Zohra Berrached mit dem beinharten Abtreibungsdrama „24 Wochen“, das ebenfalls im Berlinale-Wettbewerb lief, geht die 36-jährige Nora Fingscheidt mit ihrem Kinderdrama konsequent dorthin, wo es wehtut. Der Begriff „Systemsprenger“, hat die junge Regisseurin in Berlin gesagt, werde unter Pädagogen „nur inoffiziell verwendet“ und sei „sehr umstritten, weil er den Kern der Sache nicht trifft: Nicht die Kinder machen ein System kaputt, sondern die Systemprozesse scheitern“.

Wissbegierde, Eigensinn, Courage

Im geschützten Raum der Ludwigsburger Filmakademie hatte sie drei Jahre Zeit, das Drehbuch zu entwickeln, sie hat die kleine Helena Zengel, die erschreckend eindrücklich die Hauptrolle der unberechenbaren Benni spielt, exzellent geführt und mit einem Team aus Kommilitonen Wege gefunden, eng an der verstörten Protagonistin zu sein. Fingscheidt habe sich während des Studiums „durch ihre Wissbegierde und ihre nie aufdringlich zur Schau gestellte Klugheit ausgezeichnet“, sagt Thomas Schadt, der Direktor der Filmakademie: „Sie hat sich nie gescheut, eingetretene Pfade zu verlassen.“

Das könnte ihr nun helfen, viele derart eigenständige Filme wie „Systemsprenger“ gibt es nicht. In der ersten Oktoberwoche veröffentlicht die Academy of Motion Picture Arts and Sciences eine Liste aller in der Kategorie nicht englischsprachiger Film eingereichten Titel, kurz vor Weihnachten kommen zehn auf eine Shortlist, am 13. Januar werden die fünf für den Oscar Nominierten bekanntgegeben. Die Preisverleihung findet am 9. Februar statt. Selbst wenn es am Ende nicht klappen sollte, hat Nora Fingscheidt eine Auszeichnung jetzt schon sicher: Wer in eine Oscar-Auswahl kommt, muss etwas richtig gemacht haben.