Stadtdekan Christian Hermes setzt die Bischöfe unter Druck. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes erwartet von Synodalversammlung in Frankfurt wegweisende Beschlüsse. Es könne aber auch zum großen Knall kommen.

Herr Hermes, anfänglich waren Sie euphorisch auf dem Synodalen Weg. In welcher Stimmung fahren Sie nun nach Frankfurt?

Ich war nicht euphorisch, sondern realistisch, weil ich den Laden schon etwas länger kenne. Für mich ist aber klar: Der jetzt eingeleitete Prozess ist unumgänglich. Wir wissen nicht, ob die Vorschläge des Synodalen Weges umgesetzt werden, und auch nicht, ob damit der Mitgliederschwund gemildert wird. Wir wissen aber, dass es bei den Themen der Machtverteilung in der Kirche, der Gendergerechtigkeit, Priesteramt und einer angemessenen Sexualmoral Änderungen geben muss.

Das Plenum soll ja finale Beschlüsse fassen.

Deshalb fahre ich angespannt an den Main. Nun geht es wirklich zur Sache. Hoffnung macht mir, dass die letzte Versammlung im Frühjahr kirchenpolitisch brisante, reformorientierte Beschlüsse mit der Zweidrittelmehrheit der Bischöfe gefasst hat. So haben 79 Prozent der Bischöfe dafür gestimmt, dass die Gläubigen stärker an der Wahl ihrer Nachfolger beteiligt werden und es damit eine demokratische Legitimation für Amtsträger gibt. Das ist beachtlich. Die Bischöfe haben ihre Veto-Möglichkeit nicht genutzt. Wenn sie dies nun bei anderen Themen tun, kommt es zum GAU.

Wo sehen Sie eine solche Gefahr?

Jetzt steht zum Beispiel der Umgang mit LGBTQ-Personen auf der Tagesordnung oder der Umgang mit Homosexualität im Priesteramt. Da kommt es zum Schwur bei den Bischöfen, weil sie sich abweichend von der herrschenden Lehre positionieren müssten. Momentan gilt nämlich, dass Menschen mit „tiefsitzenden homosexuellen Neigungen“ nicht Priester oder Diakon werden können. Ähnlich ist es bei der Frage der Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Papst Johannes Paul II. hat dies klar ausgeschlossen. Ich und viele andere Synodale werden aber in Frankfurt dafür votieren. Womöglich wird namentliche Abstimmung beantragt. Dann würde öffentlich, wenn ein Bischof sich gegen die offizielle Position stellt oder gar einem Papst widerspricht. Ich bin gespannt, ob die Bischöfe dazu willens und Manns genug sind.

Was passiert bei einem GAU konkret?

Dann ist der Beschluss gescheitert. Ich nehme an, dass die Sitzung unterbrochen oder gar abgebrochen wird. Der Synodale Weg müsste sich völlig neu positionieren, zumindest, wenn ein zentrales Anliegen wie die Zulassung von Frauen zum Weiheamt berührt wäre oder es despektierliche Äußerungen gäbe. Dann hätten wir auch einen emotionalen Eklat. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt, dass Beschlüsse gelingen und die Reformanliegen so nicht in Deutschland verenden.

Wenn das gelingt, verenden die großen Reformen aber doch in Rom?

Das mag sein. Viele Fragen sind weltkirchlich zu klären. Die Frankfurter Beschlüsse gehen als Votum an den Heiligen Stuhl. Manches müsste vermutlich im Rahmen eines Konzils beraten werden. Natürlich ist ungewiss, ob es eine Bereitschaft gibt.

Ungewiss? Zuletzt hat Rom dem Synodalen Weg doch eine brüske Absage erteilt.

Die Verlautbarung hat leider gezeigt, wie schlecht informiert man im Vatikan ist. Da haben sich Angstfantasien ausgedrückt. Satzung und Ansatz des Synodalen Wegs sind nicht verstanden worden. Wir haben nicht den Anspruch, die Verhältnisse der Kirche weltweit zu verändern. Wenn die Äußerung des vatikanischen Staatssekretariats, die zunächst ja in feiger Anonymität veröffentlicht wurde, bedeuten sollte, dass die Mitglieder der Kirche gar keine Vorschläge machen dürfen, dann wäre das ein Widerspruch zum synodalen Prozess, den Papst Franziskus jetzt weltweit in Gang gesetzt hat.

Der öffentliche Eindruck ist aber doch: Der Synodale Weg macht weit mehr als bloß Vorschläge.

Ein Beschluss etwa zur Zulassung von Frauen zum Priesteramt wird zu einer politischen Realität, mit der Rom umgehen muss. Womöglich kommt es so zum Nebeneinander unvereinbarer Positionen in der Kirche. Der Synodale Weg muss sich stärker internationalisieren und zeigen, dass er keine deutsche Sonderanliegen formuliert. Gerade hat eine Anhörung in Luxemburg ergeben: Die Gläubigen wünschen sich Freistellung des Zölibats, eine andere Sexualmoral, mehr Mitbestimmung. Bischöfe aus Südafrika wollen eine Lockerung des Zölibats. In Australien wird mehr Mitbestimmung gefordert. Viele Nationalkirchen schauen auf Deutschland. Das heißt für mich: Mit den erwarteten Entscheidungen in Frankfurt endet der Synodale Weg nicht, er nimmt vielmehr einen neuen Anfang.