Sie belauern und umschmeicheln sich: Ruben Dietze als Verleger Edward Ridgeway und Verena Buss als Patricia Highsmith Foto: Sabine Haymann

Im Bann des Verbrechens: Das Stuttgarter Theater der Altstadt überzeugt mit dem Zwei-Personen-Stück „Switzerland“, einer abgründigen Hommage an Patricia Highsmith.

Stuttgart - Sie hat sich zurückgezogen in die Schweiz. Hinter ihr schwebt ein großes Alpenpanorama. Vorne aber liegt sie, Patricia Highsmith, weltberühmte Autorin vieler Kriminalromane, auf einer kleinen quadratischen Plattform, gewickelt in eine Decke aus grauem Filz. Rundherum, im Halbdunkel der Bühne: Alltagsgegenstände. Ein Käfig, eine Badewanne, ein Kühlschrank. Edward Ridgeway, gut gekleidet, Angestellter eines Verlags, steckt seinen Kopf über den Rand der Plattform und springt darauf. Er wurde in die Schweiz geschickt, um der sterbenden Highsmith noch ein letztes Meisterwerk abzutrotzen. Noch einen Tom Ripley . . .

„Switzerland. Der Fall Patricia Highsmith“ ist das jüngste Stück der australischen Dramatikerin Joanna Murray-Smith und erlebte seine Uraufführung 2014: ein Zweipersonenstück, spannend, konventionell, realistisch angelegt, das sich erst spät ins Surreale wendet und zu einer Hommage an das kriminelle Genie der Highsmith wird. Erich van der Zwaag, der „Switzerland“ am Theater der Altstadt inszeniert, schlägt diesen Weg aber schon früher ein: Verena Bussund Ruben Dietze spielen Highsmith und Ridgeway auf der schrägen Plattform, auf der alle Utensilien abwärtsrollen. Anke Bußmann und Raoul Muck haben die abstrakte Spielfläche installiert, einen Ring, in dem Fantasie und Wirklichkeit gegeneinander antreten. Ridgeway zerrt Gegenstände in diese Manege: die Erdnussbutter, das Schreibpult, den Kühlschrank, aus dem die angebundenen Bierdosen springen, den alten Plattenspieler, der immer wieder nur Lou Reed spielt, „Transformer“.

„Ich mag Morde. Ich habe schon etliche begangen“

Joanna Murray-Smith hat für die Rolle der Patricia Highsmith viele böse Sätze geschrieben, sie als misanthropische Zynikerin voller Mordfantasien gezeichnet: „Ich mag Morde. Ich habe schon etliche begangen.“ Verena Buss spielt sie kratzig, fröhlich böse, wunderbar infantil, schimpft mit rauer Stimme auf Juden, Schwarze, Latinos, Katholiken, Verleger und auf Norman Mailer, kostet all diese Tabubrüche aus. Ruben Dietze als Ridgeway ist ihr perfekter Gegenpart: jung, elegant, euphorisch, zielbewusst. Aber: ist er auch der, der er zu sein vorgibt? Er umgarnt Highsmith und schmeichelt ihr. Die Frage steht im Raum: Wann wird die kriminelle Fantasie Wirklichkeit? Wer wird töten? „Switzerland“ ist spannend, doppelbödig, gemein – und eine tiefe Verbeugung vor Patricia Highsmith.