Susanne Eisenmann auf der Treffpunkt Foyer-Bühne Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Angriffslustig und humorvoll – so erlebten 450 Leserinnen und Leser der Stuttgarter Nachrichten Susanne Eisenmann beim Treffpunkt Foyer im Haus der Wirtschaft. Baden-Württembergs Kultusministerin ist CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021.

Stuttgart - Sie ist die Herausforderin – daran ließ sie von der ersten Minute an keinen Zweifel. Offensiv benannte Susanne Eisenmann beim Treffpunkt Foyer der „Stuttgarter Nachrichten“, wo sie Baden-Württemberg als CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Jahr 2021 hinführen will. „Wir brauchen eine Weiterentwicklung unseres Industriestandorts“, sagte sie am Donnerstagabend im Haus der Wirtschaft. „Ich glaube, dass wir ab 2021 vor neuen Herausforderungen stehen.“ Themen wie die Rahmenbedingungen für den strukturellen Wandel müssten mit einer anderen Tatkraft und Elan angegangen werden. „Nur Verwalten und Moderieren reicht glaube ich nicht mehr.“

Eisenmann im Dialog mit Chefredakteur Christoph Reisinger

Mit einer eindeutigen Botschaft beschrieb Eisenmann, wo sie die Zukunft des Landes sieht: „Ich will, dass Baden-Württemberg auch in 10 oder 20 Jahren Automobilland ist, dann modern, dann anders“, sagte sie. Daraufhin müssten die Rahmenbedingungen ausgerichtet werden.

Konter mit Humor

Dabei begegnete Eisenmann den Fragen von „Stuttgarter Nachrichten“-Chefredakteur Christoph Reisinger mit Witz und Humor. Selbstkritisch räumte sie der eigenen Partei ein „leichtes Kommunikationsproblem“ ein und spielte dabei auf das Video des Youtubers Rezo an, in dem der die CDU aufs Korn genommen hatte. „Dann haben wir solide geantwortet mit einem 16-seitigen PDF“, sagte Eisenmann trocken und hatte die Lacher auf ihrer Seite.

„Gewisse Unruhe in der CDU Deutschland“

Ernsthaft antwortet sie auf die Frage nach der Lage der Partei: „Es gibt eine gewisse Unruhe in der CDU Deutschland. Das ist, glaube ich, unübersehbar.“ Sie persönlich sei aber keine Anhängerin der Diskussion, ob die Partei nach links oder rechts rutsche. „Wir brauchen Überzeugungen und wir brauchen Konzepte zu den zentralen politischen Themen“, sagte die 54-Jährige. Das täte ihrer Meinung nach der CDU gut – in Berlin wie in Stuttgart.

Eisenmann wünscht sich von Parteichefin Kramp-Karrenbauer „mehr Drive“

Die Arbeit der eigenen Parteispitze hält Eisenmann dabei für ausbaufähig. Über ihre Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte sie: „Sie hatte, glaube ich, einen guten Start, aber sie hat in den letzten Monaten an Drive verloren.“ Innere Sicherheit aber auch Sozialpolitik seien Themen, bei denen sich die CDU mehr Darstellung wünsche. „Ich hoffe sehr, dass sie bald Tritt fasst, auch in der persönlichen Darstellung. Da ist tatsächlich noch Luft nach oben.“

Dabei hat Eisenmann im eigenen Land noch viel zu tun: Knapp sechs Jahrzehnte lang war Baden-Württemberg fest im Griff der Christdemokraten, 2011 verlor die Partei die Macht an Grün-Rot. Eisenmann analysierte kühl: „2011 hat die CDU in Baden-Württemberg 39 Prozent gehabt. Da träumen wir heute davon.“ Denn bei der Landtagswahl 2016 rutschte die CDU auf 27 Prozent ab – zuletzt lag sie bei Umfragen sogar nur noch bei 26 Prozent.

Land soll im sozialen Wohnungsbau aktiver werden

Eines der Dinge, die sie im Wahlkampf angehen will, ist Wohnen. „Es ist generell ein Thema im städtische und ländlichen Bereich, dass die Leute umtreibt“, sagte Eisenmann. Dass sich ein Polizeibeamter oder eine Krankenschwester mit zwei Kindern keine Wohnung und kein Eigentum leisten könne, zeige: „Da stimmt was nicht, und da müssen wir uns schon kümmern.“ So will Eisenmann das Thema sozialer Wohnungsbau und die Frage diskutieren, ob das Land in diesem Bereich noch aktiver werden könne. Den Verkauf der landeseigenen Wohnungen unter der grün-roten Vorgängerregierung, daraus machte die CDU-Spitzenkandidatin keinen Hehl, hält sie für einen Fehler. Stattdessen stellt sie die Frage, ob es sinnvoller wäre, wenn das Land in diesem Bereich aktiver werden könne. Es brauche neue Ansätze, „mutiger und innovativer als es bislang der Fall war.“ So müsse beispielsweise auch die Bildung von Wohneigentum steuerlich besser gefördert werden.

Bis 2030 fehlen 10600 Lehrer

Dabei muss die Kultusministerin auch im eigenen Haus noch Probleme lösen. Nach ihren eigenen Prognosen fehlen bis ins Jahr 2030 noch 10 600 Lehrer. „Ich habe offene Stellen und zu wenige Lehrerinnen und Lehrer. Das ist natürlich nicht zufriedenstellend“, räumte sie ein. Aus dem Grund seien die Ausbildungskapazitäten erhöht worden. Zuletzt waren 650 Lehrerstellen unbesetzt, davon rund 500 an Grundschulen. Eisenmann sieht hier allerdings auch die angehenden Lehrkräfte selbst in der Pflicht, die einen Ortswechsel häufig ausschlössen. „Das geografische Beharrungsvermögen unserer Junglehrer ist beachtlich.“ Die verpflichtende Grundschulempfehlung, für die sie sich jüngst aussprach, sieht sie allerdings nicht mehr in dieser Legislaturperiode.

Wahlkampf „fair und respektvoll“

Die Arbeit in der grün-schwarzen Koalition macht Eisenmann trotz ihrer Spitzenkandidatur keine Sorgen. Natürlich habe man in Teilen unterschiedliche Auffassungen. Doch die gebe es auch in den Reihen der Grünen. „Wir werden im Wahlkampf fair und respektvoll miteinander umgehen“, kündigte Eisenmann an. „Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, dass wir das nicht mit Stil und mit Anstand hinbekommen.“

Die Frage nach einem möglichen Koalitionspartner will Eisenmann zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten: Erst müsse der Wähler entscheiden. „Wenn die Entscheidung gefallen ist, reden wir über Koalitionen.“

Deutliche Absagen an die AfD und an Die Linke

Eine klare Absage erteilte sie allerdings der einem Bündnis mit AfD oder Linken. Hier sieht die CDU-Spitzenkandidaten keinerlei inhaltliche Überschneidungen. „Deshalb braucht man es auch überhaupt nicht diskutieren.“

Aufholjagd gestartet

Bei der Landtagswahl im März 2021 könnte Eisenmann die Frau sein, die Winfried Kretschmann als Ministerpräsidenten ablöst. Sie wäre damit die erste Frau überhaupt an der Spitze des Landes. Doch zuletzt lag der Ministerpräsident in der Wählergunst noch weit vor der gebürtigen Stuttgarterin. In einer Umfrage von Infratest dimap für die „Stuttgarter Zeitung“ und den Südwestrundfunk (SWR) hätten 69 Prozent für Kretschmann und nur 13 Prozent für Susanne Eisenmann gestimmt.

2021? Klare Ansage mit einem Augenzwinkern

Die frühere Handballerin nimmt es dennoch sportlich und antwortete auf die Frage von Chefredakteur Christoph Reisinger „Kann man das Rennen gegen einen Winfried Kretschmann ungedopt gewinnen?“ mit einem Augenzwinkern: „Das glaube ich tatsächlich. Wenn er sagt, wir machen einen 100 Meter Lauf. Ich glaub, das geht ohne Doping – also bei mir.“