In einer Petition an den Landtag beklagt ein Bürger die zu geringe Aufwandsentschädigung für Wahlhelfer. Foto:  

Die Beschwerden von ehrenamtlichen Wahlhelfern nach dem Stuttgarter Super-Wahlsonntag haben ein parlamentarisches Nachspiel: Nach Informationen unserer Zeitung muss sich der Petitionsausschuss des Landtags mit der Forderung nach einer höheren Aufwandsentschädigung für die Stimmenauszähler beschäftigen.

Stuttgart - Die Beschwerden von ehrenamtlichen Wahlhelfern anlässlich der Kommunalwahl in Stuttgart beschäftigen nun auch den Petitionsausschuss des Landtags. Nach Informationen unserer Zeitung liegt dem Ausschuss ein Gesuch vor, in dem es auch um die künftige Höhe der Aufwandsentschädigung für den Einsatz beim Einsammeln und Auszählen der Wählerstimmen geht. Der Initiator der Petition, offenbar selbst am 26. Mai 2019 im Einsatz, bemängelt zudem, die Wahlhelfer hätten weder Essen noch Getränke seitens der Stadt gestellt bekommen. Bei der Stadt wächst unterdessen das Unbehagen über die „All-inclusive-Package“-Erwartungshaltung mancher Ehrenamtler.

Zur Erinnerung: Bereits unmittelbar nach dem Wahlgang hatte unsere Zeitung über vereinzelte Beschwerden von Wahlhelfern berichtet, die sich darüber beklagt hatten, dass während der Stimmauszählung am Wahlsonntag im SSB-Zentrum auf der Waldau keine Getränke zur Verfügung gestanden hätten. Dies sei „ein schwerer Fehler“ der Stadt gewesen, so eine der Ehrenamtlichen, die dort über Stunden bei der Auszählung der Wahlscheine behilflich gewesen war und dabei nach ihrer Aussage an ihre körperlichen Grenzen gegangen sei. In diesem Fall handelte es sich offenbar um ein Informationsdefizit. Die Stadt verweist darauf, dass die Verpflegung der Wahlhelfer seit Jahrzehnten traditionell via Selbstversorgung organisiert werde. Alle ehrenamtlichen Stimmenauszähler erhalten aber gegen den kleinen Hunger eine Banane, Schokolade sowie eine Tüte Chips. Darüber hinaus gibt es eine Tagespauschale in Höhe von 66 Euro als Aufwandsentschädigung sowie gegebenenfalls eine Fahrtkostenentschädigung. Aus logistischen Gründen sei es aber schlicht unmöglich, die bei dieser Wahl eingesetzten 4200 Personen komplett zu verpflegen.

Wahlhelferpauschale niedriger als der gesetzliche Mindestlohn?

Der Petent, dessen Namen und Eingabe der Petitionsausschuss aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht öffentlich machen will, bemängelt nach Recherchen unserer Zeitung auch, dass die Tagespauschale auf die Stunde umgerechnet nicht einmal dem gesetzlichen Mindestlohn entspreche und dass der Betrag seit Jahren nicht nach oben angepasst worden sei. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit der jüngsten Erhöhung im Januar 9,19 Euro die Stunde. Die Stadt kontert: Die pauschale Aufwandsentschädigung sei zuletzt vor der Bundestagswahl 2017 auf 11 Euro pro angefangene Stunde erhöht worden, der Pauschaltagesbetrag von 55 Euro auf 66 gestiegen.

Im Statistischen Amt der Stadt, das bei der Organisation von Wahlen federführend ist, hat man sich mit der Kritik bereits unmittelbar nach dem Superwahlsonntag – außer den Kommunalparlamenten wurden am 26. Mai auch das Europa- und das Regionalparlament bestimmt – auseinandergesetzt. Man müsse ernsthaft darüber nachdenken, die Wahlen wieder zu entkoppeln, meint etwa der Chef des Statistischen Amts, Thomas Schwarz. Der Aufwand sei immens, Wahlhelfer seien immer schwerer zu gewinnen.

Öffentliche Anerkennung und Dank allein reichen da offenbar nicht mehr aus – auch nicht die Tatsache, dass der Einsatz zum „Funktionieren der Demokratie beigetragen“ habe, wie es in einem Dankesschreiben von Kreiswahlleiter und Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) an alle Wahlhelfer hieß.

Stadt denkt über Belohnungssystem für langjährige Stimmenauszähler nach

Dass der ehrenamtliche Einsatz tatsächlich mit zum Fundament demokratischer Wahlen gehört, scheint bei manchen aus dem Blickwinkel zu geraten. Es gebe stattdessen eine zunehmende Erwartungshaltung, dass sich Kommune oder Staat während der Stimmauszählung um eine Rundumversorgung zu kümmern hätten, heißt es im Rathaus. In diesem Zusammenhang wird daran erinnert, dass in Deutschland Wahlberechtigte dazu verpflichtet sind, sich für den ehrenamtlichen Einsatz zur Verfügung zu stellen. Gleichwohl denkt die Stadt über Maßnahmen nach, die Motivation der Wahlhelfer bei künftigen Urnengängen zu stärken. Dem Vernehmen nach wird über ein Gutscheinsystem sowie eine öffentliche Veranstaltung nachgedacht, bei der langjährige Wahlhelfer für ihren Dienst an der Demokratie ausgezeichnet werden sollen.