Rebecca Luksch ist stolz auf das neue Angebot der Stadtbücherei Süßen. Foto: Ines Rudel

Menschen teilen vieles: Wohnungen, Autos, Bücher. In der Stadtbücherei Süßen glaubt man, dass das Nachhaltigkeitskonzept auch bei alltäglichen Dingen funktionieren kann – und hat deshalb die „Bibliothek der Dinge“ eingeführt. Wir haben mit der Büchereileiterin gesprochen.

Süßen - Im Eingangsbereich der Stadtbücherei Süßen steht seit Kurzem eine Glasvitrine. Darin ein Schild mit der Aufschrift „Kaufst du noch, oder leihst du schon?“. Davor liegt eine Fahrradtasche, darüber eine Faszienrolle, in den Fächern darunter Donut-Backformen, ein Glockenspiel und Fitnessbänder. Zu vielen Gegenständen finden sich passende Bücher. Diese gehören aber nicht zur „Bibliothek der Dinge“ – so der Name des Glaskastens und seines Inhalts –, sondern zum Inventar der Stadtbücherei. Mit der Einführung der „Bibliothek der Dinge“ im vergangenen Sommer hat sich die Stadtbücherei Süßen entschieden, neben Medien aller Art auch Alltagsgegenstände zu verleihen. Aktuell 21 Stück. „Wir sind nicht die erste Bibliothek, die so ein Angebot hat, aber eine der ersten in Deutschland“, sagt die Büchereileiterin Rebecca Luksch.

Im Landkreis Göppingen ist das Konzept bekannt. Umgesetzt wird es teilweise – „aber wir haben das nie so genannt“, sagt Benjamin Decker, der Leiter der Geislinger Stadtbücherei. Auch dort würden E-Books, Tiptoi-Stifte fürs digitale Lernen und Tonieboxen, Hörspielgeräte für Kinder, verliehen. „Aber das sind alles Produkte, die in direktem Bezug zu Medien stehen.“ Decker lobt, dass die Süßener Bücherei das Konzept ins Gespräch gebracht hat. Er selbst will sich mit seiner Bibliothek auch weiterentwickeln, allerdings eher im Bereich digitale Medien. Trotzdem sagt er: „Streng genommen lässt sich jedes Produkt mit Medien in Verbindung bringen.“ Man müsse nur an eine Küchenmaschine und ein Kochbuch denken.

„Süßen hat Pioniercharakter“

Für Benjamin Stasch, den stellvertretenden Leiter der Stadtbibliothek Göppingen, sind es genau diese medienfernen Angebote, die eine „Bibliothek der Dinge“ ausmachen. „Auch wir verleihen E-Books, Tiptoi-Stifte und Energiesparmessgeräte.“ Von einer „Bibliothek der Dinge“ zu sprechen sei durch dieses Angebot aber nicht gerechtfertigt. „Bei uns steckt die Umsetzung noch in den Kinderschuhen. Die Stadtbücherei Süßen hat da auf jeden Fall Pioniercharakter.“

Luksch hat sich ganz bewusst dafür entschieden, das Angebot einzuführen: „Ich glaube einfach, man muss sich immer weiterentwickeln, um zukunftsfähig zu sein.“ Das Angebot passe in den Trend der Sharing Economy. Das bedeutet, dass Gegenstände verliehen und gemeinsam genutzt werden: Wohnungen, Autos und auch Bücher. „Bei Bibliotheken gibt es das schon immer, aber man kann das Konzept auch auf andere Lebensbereiche ausdehnen“, sagt die Büchereileiterin. Luksch hält das nicht nur für nachhaltiger, sie ist auch der Meinung, dass man nicht alles besitzen muss. Ein Bibliotheksbesucher sieht das anders. „Wenn ich etwas brauche, dann kaufe ich es mir“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte. Die Küchenmaschine, die auch zur „Bibliothek der Dinge“ gehört, würde er nicht ausleihen, schließlich wisse er nicht, wer sie vor ihm benutzt habe.

Tonieboxen und Sofortbildkameras sind die Renner

Ein Problem, das Luksch bewusst ist. Deshalb sei den Gegenständen eine Gebrauchs- und Reinigungsanweisung beigefügt. „Kommen die Sachen nicht ordentlich zurück, erheben wir eine Reinigungsgebühr und reinigen die Gegenstände selbst“, sagt sie. Welche Dinge und Geräte verfügbar und welche verliehen sind, können die Nutzer online sehen.

Wer einen Gegenstand ausleihen will, braucht nicht zwingend einen Bibliotheksausweis. „Wir verlangen für die einzelnen Artikel eine geringe Leihgebühr. Wer keinen Bibliotheksausweis hat, zahlt pro Gegenstand einen Euro extra, spart sich dafür aber die Jahresgebühr für die Büchereibenutzung“, erklärt Luksch.

Laut Heike Haid, die ebenfalls in der Bücherei arbeitet, freuen sich die Besucher über das Angebot, „was das Mitnehmen angeht, sind sie aber noch zögerlich“. Die Ausnahmen: die Tonieboxen und die Sofortbildkamera. „Die lassen sich jetzt schon als echte Renner identifizieren“, sagt Luksch. Trotz des neuen Angebots glaubt die Fachfrau, dass Bücher und E-Books „absolut zukunftsfähig“ sind. „Bis jetzt laufen auch Filme noch erstaunlich gut“, sagt Luksch. Deshalb wird die „Bibliothek der Dinge“ zusätzlich angeboten. Laut Luksch würden CDs und DVDs aber irgendwann von Streamingdiensten abgelöst. Auf lange Sicht könnte der Verleih von Alltagsgegenständen dann ein Alternativangebot sein.