Landes-FDP-Chef Michael Theurer galt schon im EU-Parlament als Steuerexperte. Foto: dpa

Die baden-württembergische FDP hat ein eigenes Konzept für mehr Steuergerechtigkeit vorgelegt. Sie will europaweit Lücken schließen und wehrt sich gegen einen „unfairen“ Wettbewerb der Steuervermeider.

Stuttgart - Schon in seiner Zeit als Europa-Abgeordneter galt Michael Theurer, der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende, Diplom-Volkswirt und Ex-Bürgermeister von Horb am Neckar als ausgewiesener Steuerexperte, der sich um europaweite Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Steuervermeidung kümmerte. Jetzt hat Theurer – mittlerweile Bundestagsabgeordneter – den Landesvorstand seiner Partei einen 17-Punkte-Plan für mehr Steuergerechtigkeit und das Stopfen von Schlupflöchern im Steuerrecht verabschieden lassen. Beim Kleinen Parteitag der Liberalen am 14. Juli in Rheinau (Ortenau-Kreis) wird es aller Voraussicht nach ohne große Abstriche angenommen.

Neben altbekannten Forderungen der FDP nach einem einfachen und transparenten Steuersystem ragen vier Punkte heraus, die auch eine bundesweite Steuerdebatte beleben dürften: So spricht sich die Südwest-FDP klar gegen eine Steuerfreiheit für Großveranstaltungen wie die UEFA-Europameisterschaft 2024 aus, für die sich Deutschland und die Türkei beworben haben und über deren Vergabe im September entschieden wird. Vertreter der großen Koalition hatten eine Befreiung von der Einkommens- und Körperschaftssteuer für dieses Fußball-Spektakel angedeutet, falls Deutschland den Zuschlag erhalten sollte. Ist eine solche Veranstaltung „im besonderen öffentlichen Interesse“, hieß es in Berlin, dann könnte eine solche Befreiung erteilt werden. „Solche Steuerfreiheiten lehnen wir ab“, sagt dazu die FDP. Alle Ausnahmebestände aus „öffentlichem Interesse“ müssten überprüft werden. Michael Theurer sagte unserer Zeitung, falls die große Koaliton wirklich die Steuerbefreiung für die UEFA durchsetzen sollte, mache „sich die Politik unglaubwürdig“. Denn eigentlich wolle die GroKo laut Koalitionsvertrag keine systematischen Steuererleichterungen mehr für einzelne Unternehmen oder Organisationen.

Apple und Google suchen sich ihr Steuerland aus

Als Ärgernis auf europäischer Ebene empfinden es die Liberalen, dass sich Konzerne wie Apple oder Google das Land sozusagen heraussuchen, wo sie ihre Gewinne versteuern. Mit einer europaweit gemeinsamen Grundlage für die Bemessung der Körperschaftssteuer könne dies vermieden werden, sagt die FDP. „28 überkomplexe Steuersysteme führen zu Schlupflöchern, Gewinnverlagerung und Gewinnverkürzung. Wir müssen zu einem fairen Steuersystem kommen, in dem Steuern da bezahlt werden, wo auch die Gewinne anfallen“, sagt Michael Theurer unserer Zeitung. Der Steuerwettbewerb sei „eine gute Sache“, doch er müsse über die Steuersätze geführt werden, nicht über die Bemessungsgrundlagen. Ein europäischer Nebenaspekt sind die sogenannten „rechtsverbindlichen Steuervorbescheide“ (Tax Rulings beziehungsweise verbindliche Auskünfte) . Auch hier sieht es die FDP es als eine „massive Wettbewerbsverzerrung“ an, dass einzelne Unternehmen durch die Ausschöpfung von Ermessensspielräumen Steuervorteile erhalten, andere aber in die Röhre schauen. Deshalb müsse die EU einheitliche Mindeststandards schaffen.

Die dritte Forderung trifft ebenfalls eine Art Steuerflucht, diesmal auf nationaler Ebene: Es geht um die sogenannten Share Deals, also die gezielte Gestaltung einer Grundstücksübereignung durch den Verkauf von Geschäftsanteilen mit dem einzigen Zweck, die Grunderwerbsteuer zu umgehen. Das müsse künftig verhindert werden, sagt die FDP.

Konzerne sind den Finanzämter „immer einen Schritt“ voraus

Ein vierter Punkt trifft die mangelhafte personelle Ausstattung der Finanzverwaltung. Europaweit handelnde Konzerne seien den Finanzbehörden „immer einen Schritt voraus“, klagen die Liberalen: „Wir müssen unsere Finanzverwaltung qualitativ und quantitativ so aufstellen, dass sie multinationale Konzerne angemessen prüfen und Rechtsbrüche verfolgen können.“

Allgemein ist die FDP der Ansicht, dass die Steuerlast in Deutschland viel zu hoch sei. Die Steuerquote – also der Anteil des Steueraufkommens am Bruttoinlandsprodukt – müsste ihrer Ansicht nach auf 20 Prozent gesenkt werden. 2005 lag sie noch bei 19,65 Prozent, mittlerweile sei sie auf 22 Prozent gestiegen. Mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen – einiges davon wird seit langem gefordert – will die FDP die Bürger entlasten. So wird ein „drastisch vereinfachtes Steuersystem“ verlangt, was durch die Reduzierung von Sondertatbeständen gelingen könnte. Die Einkommenssteuer müsse durch einen „Tarif auf Rädern“ an die Reallöhne gekoppelt werden, so dass die Kalte Progression abgeschafft werde. Für Baden-Württemberg wird eine Senkung der Grunderwerbssteuer vorgeschlagen und deutschlandweit für sie ein Freibetrag von 500 000 Euro für natürliche Personen gefordert.

Die Gewerbesteuer solle durch ein „intelligenteres Modell“ ersetzt werden, dass den Kommunen eine stabilere Finanzierung bringen. Für Theurer sind Steuerentlastung ein liberales Lebenselixier: „Je höher der Anteil des Netto vom Brutto, desto mehr Selbstbestimmung erlaubt eine Gesellschaft.“