Mitarbeiter aus der Bronzegießerei Bronze Age von Otto du Plessis. Foto: Walker

Sie ist bunt, lässig und gilt als eine der schönsten Städte weltweit. In diesem Jahr ist Kapstadt in Südafrika Welt-Design-Hauptstadt.

Kapstadt - Wer Conrad Hicks in seiner Werkstatt besucht, landet in einem ehemaligen Kino mitten in Woodstock, einem der Trendviertel Kapstadts. Meterhohe Decken, Fenster aus buntem, geschliffenem Glas. Ein alter Traktor, Maschinenskelette und der Amboss. Neben einem gewaltigen Ofen werkelt Joseph, der dunkelhäutige Assistent, mit dem Conrad Hicks zusammenarbeitet. Hicks’ Halle ist im wahren Sinne des Wortes eine große Kreativschmiede (www.blacksmith.co.za/). Woodstock ist vielerorts rau, die Straßen staubig, einige Gebäude verfallen. Doch im Grau blitzen immer mehr Highlights auf. Conrad Hicks: „Keiner von uns ahnte, dass sich das ehemalige Industriegelände zum Hotspot entwickeln würde.“ Als der Kunstschmied das alte Kino vor etwa 15 Jahren kaufte, war er einer der ersten Künstler, die sich dort niederließen.

Der Stadtteil wurde nach und nach zum Kraftfeld der Kreativen. Ateliers, Antiquitätenläden, Shoppingpassagen oder die Bisquit Mill ( www.theoldbiscuitmill.co.za) ziehen viele Besucher an. In der ehemaligen Keksfabrik findet jeden Samstag der Neighbourgoods Market für regionale Lebensmittel und Handwerk statt. Neben selbst entworfener Mode gibt’s kulinarische Köstlichkeiten wie Meeresfrüchte, Pilzspezialitäten und Fleisch. Unzählige Stände locken mit Slow Food, frisch gepressten Säften und Wein und Champagner. Künstler wie Conrad Hicks und Designer wie Kat van Duinen und Zizipho Poswa haben in Woodstock Werkstätten, Ateliers und Geschäfte. Van Duinen, Skandinavierin und mit einem südafrikanischen Maler verheiratet, entwirft exklusive Mode aus Seide und Kaschmir.

Inspiration stammt von Picasso

Ihre hochwertigen Handtaschen und Gürtel aus Leder von Strauß, Krokodil oder Schlange sind luxuriös und obendrein begehrt. Poswa, der weibliche Part des Künstlerduos Imiso Art (www.imisoceramics.co.za) , formt Gefäße aus Ton und Keramik. Für ihre Serie afrikanisch gemusterter Vasen und Töpfe ließ sie sich von Picasso inspirieren. Der Stil ist eigenwillig und sehr gefragt. Bereits auf den wenigen Quadratkilometer Fläche Woodstocks, rund um die Victoria- und die Albert Road, erkennt man, warum Kapstadt zur Welt-Design-Hauptstadt 2014 ernannt wurde. Nach Helsinki und Seoul ging die Auszeichnung an die Metropole am Kap der Guten Hoffnung, weil „Design hier nicht bloß urbane Räume gestaltet, sondern Veränderungen in der Gesellschaft möglich macht“, so die Jury in Taipeh 2011.

Alte Kinos, Fabriken, Gewerbehöfe und Garagen werden von den Kreativen genutzt und umgebaut. Südafrikanische Starkünstler wie der Bildhauer Brett Murray und Otto du Plessis haben ihre Werkstätten neben einer der besten Bronzegießereien des Landes, Bronze Age (http://bronzeage.co.za/). Angeblich lässt der international gefeierte William Kentridge seine Skulpturen ausschließlich dort fertigstellen. Ein paar Blocks weiter, in der Passage Woodstock Exchange, trifft man auf das Duo Pedersen-Lennard. Industriedesigner, Anfang dreißig und extrem kreativ im Umgang mit Blech und Holz. Ihre Möbel wie Sitzhocker, Tische und Stühle werden von den Bewohnern in einem der umliegenden Townships von Hand aus Blech zugeschnitten und in Form gebracht.

Pedersens Geschäftsmodell überwindet die Distanz

Erst für das Finish und die Lackierung bringt Pedersen die Rohlinge in die Werkstatt nach Woodstock, wo sie den letzten Schliff bekommen. „Live Design. Transform Life.“ ist das Credo, das kreative Köpfe wie Conrad Hicks, Zizipho Poswa und Luke Pedersen in Woodstock leben. „Lebe Design. Verändere Leben.“ Das ist auch der Slogan, der Kapstadt als Welt-Design-Hauptstadt in diesem Jahr beflügelt. „Design hat die Kraft, das Schicksal vieler Einzelner zu verändern“, sagt Luke Pedersen. Sein Partner und er entschieden bei der Firmengründung vor fünf Jahren bewusst, ausschließlich Mitarbeiter in einer Township zu beschäftigen. „Sie haben eine Chance - aber keine langen Wege in die Stadt“, erklärt Pedersen. Millionen Menschen leben in Kapstadt buchstäblich am Rand der Gesellschaft, weil die Townships kilometerweit außerhalb liegen. Pedersens Geschäftsmodell überwindet die Distanz - nicht bloß aus Kalkül, sondern weil er ein Zeichen setzen will.

Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen rund 450 weitere Design-Projekte in Kapstadt. Einige sind noch Visionen auf dem Papier und warten auf Umsetzung. Andere laufen bereits an. Wer sie entdecken will, muss ein bisschen stöbern (www.wdccapetown2014.com/). Zum Beispiel eine Kunstinszenierung in der Township (www.maboneng.com) oder Visionen, durch die verlassene Plätze in der Stadt zum Leben erweckt werden (http://www.rockgirlsa.org/). Am Ende realisiert man, dass alle Projekte ein gemeinsames großes Ziel haben: „Design kann unsere Gesellschaft verändern.“ Wer nach derart viel kreativem Input in Kapstadt entsprechend stilvoll übernachten möchte, sollte im Sea Five einchecken oder dem Grand Daddy in der Long Street einen Besuch abstatten. Das Sea Five ist eine luxuriöse Oase im schillernden Camps Bay, dem Hipsterviertel Kapstadts. Der maritim-frische Capetonian Stil beeindruckt konsequent in Weiß.

Große Räume mit Meerblick, darin schimmerndes Treibholz, helle Möbel und abstrakte Kunst an den Wänden. Und das Frühstücksbüfett, nur vier Meter vom Pool entfernt, setzen Unikate in Szene - puristische Holzlampen von einem weiteren südafrikanischen Künstler, Porky Hefer. Das Grand Daddy dagegen will auf den ersten Blick auffallen und trumpft mit einer Bar auf dem Hoteldach auf. Man muss sich bloß noch entscheiden, in welchem der Wohnwagen inmitten der Hochhausdächer man übernachten will - Pleasantville, The Ballad of John and Yoko - oder noch lieber Afro Funk? Letzterer ist stilecht mit Nelson-Mandela-Kissen und -Drucken ausgestattet.

Infos zu Kapstadt

Anreise
South African Airways (SAA), www.flysaa.com/de/de , täglich Frankfurt-Kapstadt-Frankfurt ab 767 Euro via Johannesburg; München-Kapstadt- München ab 754 Euro via Johannesburg (Preise pro Person in Economy-Class inkl. Steuern und Gebühren zzgl. Service Charge bei Buchung über SAA Service Center oder Reisebüro).

Welt-Design-Hauptstadt
Infos, Programm und Hintergründe: www.wdccapetown2014.com .

Projekte: Eine amerikanische Anwältin für Menschenrechte hat „Rock Girl“ ins Leben gerufen, eine Nichtregierungsorganisation, mit deren Hilfe sichere Plätze für Mädchen und junge Frauen in der Stadt geschaffen werden. Symbolisiert werden sie von unterschiedlich bunten, individuell designten Bänken, die in den Straßen zu finden sind, www.rockgirlsa.org .

Maboneng Township Arts Experience: Kunst in der Township, eine Kunst-Inszenierung in den Häusern der Township-Bewohner, www.maboneng.com . Industriedesigner Pedersen Lennard, http://pedersenlennard.co.za/ .

Unterkunft
The Sea Five, www.seafive.co.za/ . Zentral im lebhaften Melting Pot Camps Bay gelegen, mit Pool, Balkonen und Dachterrassen. 5 Minuten Fußweg zum Meer. Ab ca. 150 Euro/DZ mit tollem Frühstück, 5 Central Drive, Camps Bay 8005, Kapstadt. The Grand Daddy, /www.granddaddy.co.za/ .

Liegt in der Innenstadt in der quirligen Long Street, nur fünf Gehminuten entfernt von Mama Africa, dem afrikanischen Restaurant, www.mamaafricarestaurant.co.za/ . Ab ca. 90 Euro/DZ, 38 Long Street, Cape Town 8001.

Allgemeine Informationen
Länderinformationen: www.dein-suedafrika.de (Seite von SAT, South African Tourism).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall nach der Extradosis Design eines der schönsten Naturkunstwerke vor der Stadt genießen! Das Grootbos Private Nature Reserve liegt nur 90 Minuten entfernt, bei Hermanus. Weil in dem Naturreservat 765 einzigartige Pflanzenarten wachsen, darunter die rund 1000 Jahre alten Milkwood-Bäume, nennen es die Südafrikaner auch Floral Kingdom. Bewahrt wird das Naturreservat durch die Grootbos-Stiftung von Michael Lutzeyer, bei dem man nach einer Natursafari in schön designtem Ambiente wohnt: Zu seinen beiden Lodges gehört ein Stiltempel namens The Villa. Der moderne Bau bietet Platz für ein Dutzend Gäste und beherbergt eine zeitgenössische Kunstsammlung; www.grootbos.com/de/startseite .

Auf keinen Fall sollte man in Kapstadt wie auch in anderen Millionenmetropolen Wertsachen offen zur Schau tragen. Kameras gehören in den Rucksack, Geld in die Hosentasche und Schmuck bleibt beim Stadtbummel am besten im Hotelsafe.

So wird das Reisewetter