Ob Drogen oder Alkohol: Zur Sucht kommen bei Abhängige oft private Probleme dazu. Foto: dpa

Das Netzwerk aus Trägern von Diensten und Einrichtungen der Suchthilfe in Stuttgart steht Menschen mit einem Drogenproblem mit der ganzen Palette von Hilfs-und Therapieangeboten zur Seite.

Stuttgart - Suchtprobleme berühren alle Lebensbereiche: den Arbeitsplatz, das Jobcenter, die medizinische Versorgung und die Schule der Kinder – alle diese Einrichtungen sind involviert. Häufig sind es aber noch viel mehr. Denn ein Drogenproblem verändert das ganze Leben. Somit werden die Betroffenen in der Fachsprache als Menschen mit einer Multiproblemlage beschreiben. Aber im Grunde haben sie nur ein einziges Problem: ihre Sucht. So charakterisierte der Münchner Psychologe Mike Seckinger in seinem Festvortrag beim zehnjährigen Jubiläum des Suchthilfeverbunds die Sachlage. Die Vorsilbe „Multi“ sei allein dem Umstand gezollt, dass so viele Institutionen mit ihrer jeweiligen Spezialisierung involviert seien.

Netzwerk aus Hilfsangeboten

Genau hier greift das 2007 gegründete Netzwerk aus Trägern von Diensten und Einrichtungen der Suchthilfe in Stuttgart, denn durch seine breite Angebotspalette deckt es die Hilfsangebote für den Klienten in seiner Multiproblemlage quasi aus einer Hand ab. Zum Verbund gehören heute der Caritasverband, die Evangelische Gesellschaft, Release, Lagaya, Abas (Anlaufstelle bei Essstörungen), die Tagesklinik der Allgemeinen Hospitalgesellschaft, die Wilde Bühne und das Klinikum Stuttgart.

Beratung junger Alkoholiker

Ulrich Binder, Geschäftsführer von Release, und Ulrike Ohnmeiß, Geschäftsführerin der Beratungsstelle für suchtmittelabhängige Frauen Lagaya, blickten beim Jubiläumsfest mit mehr als 100 Gästen zurück auf die Gründungsphase. „Wir hatten damals sehr sportliche Ziele“, bemerkte Binder. Vier Projekte mit jungen Alkoholikern entstanden schon im ersten Jahr des Verbunds, berichtete Ulrike Ohnmeiß. Tatsächlich besteht eines davon immer noch: Am Wochenende bietet das Olgäle eine ärztliche Beratung für junge Menschen an, die dem Alkohol besonders zugetan sind. Zu den Angeboten des Verbunds gehört neben der Therapie zum Beispiel auch die Beratung von Angehörigen der Suchtmittelabhängigen. Außerdem unterhält der Verbund stationäre oder ambulante Wohngemeinschaften für Jugendliche sowie mehrere Arbeitsprojekte.

Arbeitsprojekte sind wichtig

Dass der Verbund ein Jahrzehnt zusammengearbeitet habe, sei keineswegs selbstverständlich: „Dass eine Kooperation gelingt, ist sehr unwahrscheinlich“, lautet die provokante These Seckingers mit Blick auf Konstrukte wie den Suchthilfeverbund. Dass es dennoch erfolgreich voran ging und die Kooperationspartner in der Öffentlichkeit mit einer Stimme auftreten, liege daran, dass sich die leitenden Köpfe persönlich schätzen, betonte Sozialbürgermeister Werner Wölfle in seinem Grußwort.

Geschätzt wird das Netzwerk auch vom Gemeinderat. Pünktlich zur Feier im Kulturwerk Ost traf die Nachricht ein, dass ein fraktionsübergreifender Antrag für die Haushaltsberatungen 2018/19 gestellt wurde, mit dem die Weiterfinanzierung der Arbeitsprojekte des Suchthilfeverbundes sichergestellt werden soll. Die Stadt unterstützt den Verbund, dennoch muss jedes Mal bei den Haushaltsberatungen neu verhandelt werden. „Aber wir sind gut gefördert“, lobt Ulrike Ohnmeiß. Dennoch werden durch die steigenden Lohnkosten und die veränderten Aufgabenfelder die Kosten stetig höher.

Spielsucht als neue Herausforderung

Im vergangen Jahr wurden durch das Netzwerk 24 234 Personen erreicht. Allein im Bereich der Prävention gab es 1135 Angebote. 4536 Menschen wurden beraten, betreut und behandelt. Der Sozial-und Integrationsminister des Landes, Manne Lucha (Grüne), lobte das „wunderbare Konstrukt“ in Stuttgart. Für den Grundsatz „Hilfe vor Strafe“, nach dem das Land in seiner Drogenpolitik verfahre, sei der Suchthilfeverbund ein wichtiger Pfeiler. Neun Millionen Euro investiert das Land jährlich in die Suchthilfe.

Lucha betonte, dass die Einrichtungen ständig vor neuen Herausforderungen stünden: Derzeit sei es die Spielsucht und die Diamorphintherapie. Gleichzeitig würden die formalen Anforderungen an die Einrichtungen immer aufwendiger und komplizierter, kritisierte er – ebenso wie Wölfle, der in diesem Zusammenhang von „gesetzlichen Gefängnissen“ sprach.