Fritz Kuhn will alle Autobesitzer zur Kasse bitten. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der Oberbürgermeister will weniger Autoverkehr und mehr Kultur. Das Geld für den Ausbau von Bussen und Bahnen könnte aus einer Nahverkehrsabgabe für alle Autobesitzer kommen.

Stuttgart - Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) denkt über eine autofreie Innenstadt nach, um „eine der attraktivsten Städte Deutschlands“ noch attraktiver zu machen. „Alle urbanen europäischen Städte bemühen sich heute darum, ihre Innenstädte weitgehend autofrei zu gestalten. Ich halte das für vernünftig, weil das die Lebens-, Aufenthalts- und Einkaufsqualität erhöht“, sagte er im Interview mit dieser Zeitung. Auch der Handel müsse ein Interesse daran haben, dass die City großteils autofrei werde. „Wir sollten das ernsthaft diskutieren“, sagte Kuhn. Voraussetzung seien ausreichend Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr und ein leistungsfähiges Parkleitsystem rund um die Innenstadt.

Zur Finanzierung eines Ausbaus des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) peilt Kuhn eine Nahverkehrsabgabe an. Diese hätte gegenüber einer City-Maut den Vorteil, „dass alle Autobesitzer zahlen und im Gegenzug ein Ticket für den Nahverkehr bekommen“, sagte Kuhn. Darin liege der besondere Reiz zum Umsteigen. Aber auch eine City-Maut sei diskussionswürdig.

Stuttgarts OB ist auf das Land angewiesen

Der Deutsche Städtetag hatte sich in dieser Woche dafür ausgesprochen, Städten auf Wunsch zu ermöglichen, finanzielle Steuerungsinstrumente wie eine Nahverkehrsabgabe zu erproben. „Ich unterstütze das sehr“, sagte Kuhn dieser Zeitung. Dafür sei allerdings eine Regelung des Landes notwendig. „Ich würde mir wünschen, dass das Land die Voraussetzungen dafür schafft.“ Zuvor hatte bereits Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Sympathie für eine solche Abgabe gezeigt. Stuttgart wäre die erste deutsche Stadt, in der so etwas erprobt würde.

Die CDU lehnt Überlegungen strikt ab, von Autofahrern Eintritt in die Stadt zu verlangen. Die Verkehrsexpertin und stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Nicole Razavi, sagte auf Anfrage, das Thema Nahverkehrsabgabe sei nicht Teil des Koalitionsvertrages mit den Grünen. Sie sei auch ein „falsches ordnungspolitisches Instrument“. Der Anreiz für einen Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel dürfe nicht in einer Bestrafung der Autofahrer liegen, erklärte die CDU-Politikerin. Derartige Vorstellungen seien „völlig schräg“. Der notwendige Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs müsse aus Steuermitteln bezahlt werden.

Autohersteller können Fahrverbote verhindern

Der baden-württembergische Städtetag zeigt sich grundsätzlich offen. In dem Moment, wo es einen rechtlichen Rahmen für eine Nahverkehrsabgabe gebe, sei dies eine Frage der kommunalen Selbstverwaltung, sagte Städtetags-Dezernent Gerhard Mauch. Es handle sich dann um eine rein lokale Entscheidung.

Stuttgarts OB nahm auch zum Thema Fahrverbote an Feinstaubalarmtagen Stellung: „Wenn man das vermeiden könnte, wäre das schön“, sagte Kuhn. Der Ball liege jetzt bei den Autoherstellern. „Sie haben einen erheblichen Einfluss darauf, ob die Fahrverbote kommen oder nicht.“

Im Interview mit unserer Zeitung sprach sich Fritz Kuhn auch erstmals für ein Konzerthaus im künftigen Rosensteinviertel aus. Im Zuge einer „kulturellen Offensive“ solle dort auch der Neubau des Linden-Museums entstehen. „Das ist der Wunsch und die Vision des Oberbürgermeisters – finanziert ist es deswegen noch nicht. Ich bemühe mich aber, das auf den Weg zu bringen.“

Kuhn räumte ein, dass die Stadt beim sozialen Wohnungsbau deutlich mehr tun müsse. Gleichzeitig wehrte er sich gegen Kritik, er würde als Stuttgarter Oberbürgermeister zu wenig gestalten.