Moderator Chris Fleischhauer (links) und Steffen Schneider sind schon seit rund sechs Jahren ein Paar. Heiraten möchten sie einmal mit allem drum und dran. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Für homosexuelle Paare könnte ein Meilenstein erreicht werden. Gleichgeschlechtliche Paare aus Stuttgart schauen mit gemischten Gefühlen auf die Abstimmung zu „Ehe für alle“ in Berlin.

Stuttgart - Ich bin immer kritisch.“ Chris Fleischhauer, Fernsehmoderator und Modegeschäftsinhaber aus Stuttgart, winkt lächelnd ab. Die Begeisterung darüber, dass schon am Freitag im Bundestag über die „Ehe für alle“ entschieden werden könnte, ist bei ihm und seinem Freund eher gebremst. Ein unnötiger Schnellschuss sei es, findet der 35-Jährige. Er habe die Äußerung von Kanzlerin Angela Merkel in der Brigitte-Talkrunde anders interpretiert, als sie ausgelegt worden sei, sagt der Mann, der als erste männliche Lottofee von sich reden machte. „Gefahr ist, dass viele in CDU und CSU wegen dieses Hopplahopps beleidigt reagieren. Ohne hätte es möglicherweise eine größere Mehrheit gegeben.“

Seinen Freund hat der 35-Jährige vor gut sechs Jahren kennengelernt, auf einer Messe. Obwohl sich Fleischhauer als „unromantisch“ bezeichnet, liebäugeln die beiden Männer schon länger mit einer Lebenspartnerschaft. Doch erst einmal müsse das Geschäft auf festen Füßen stehen, sagt der 35-Jährige. „Wenn wir es machen, dann so, dass es richtig Spaß macht. Dann wollen wir es auch krachen lassen.“

Hund und Katze als Familienersatz

Für ihn zähle weniger der Titel, viel entscheidender sei die Akzeptanz, sagt der Mann, der in einem kleinen Dorf nahe Magdeburg groß geworden ist und sich mit 18 Jahren geoutet hat. Er habe große Zweifel, dass es gut für die Akzeptanz sei, wenn die „Ehe für alle“ jetzt mit einer knappen Mehrheit durchgeprügelt werde. Für ihn persönlich sei es nicht so wichtig, ob er später eine Ehe oder eine Partnerschaft führe. Wesentliche Änderungen bedeute das inzwischen nur noch beim Adoptivrecht, und Kinder wollten sie beide nicht. „Wir haben einen Hund und eine Katze. Sie sind für uns Familienersatz – unsere Kinder.“

Auch für seinen Freund Steffen Schneider geht es nicht in erster Linie um die eigene Partnerschaft. „Ich finde es generell wichtig, als Signal für ein aufgeklärtes europäisches Land“, führt der 37-Jährige aus. Es gehe auch darum, sich „nicht länger als Mensch zweiter Klasse“ zu fühlen.

Zu schrille Parade spielt Skeptikern in die Karten

Gleichberechtigung und Normalität steht für beide über allem. Deshalb sieht Fleischhauer auch die Parade am Christopher-Street-Day (CSD) durchaus kritisch. Das übertrieben schillernde Bild, das dort oft gezeigt werde, passe den Skeptikern perfekt ins Konzept. Nur zu gern zeigten sie auf nackte Hintern und proklamierten, so seien „die“ alle. „Dass man auch ganz normal sein kann, wissen viele Menschen gar nicht.“ Deshalb sitzt er in diesem Jahr auch in der CSD-Jury und schaut mit drauf, dass die politische Botschaft wieder stärker in den Vordergrund rücke.

Skeptikern die Skepsis zu nehmen, das müsse das Ziel sein, sagt der Moderator. Zu zeigen, dass es homosexuelle Paare gebe, die sich schon seit Jahren die Treue halten und nicht viel anders sind als andere. Das brauche Zeit – und ein Schnellschuss im Wahlkampf gehe da einfach in die falsche Richtung. Seine große Sorge sei, dass man den Antrag jetzt durchbringe und nach einer Klage vielleicht eine Verfassungsänderung brauche. „Wenn es dann die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht gibt, kann das komplett nach hinten losgehen.“

13 Jahre Partnerschaft

Voller Spannung wartet Jürgen Frank aus Stuttgart auf die Entscheidung am Freitag. „Ich habe frei und werde schauen, dass ich so schnell wie möglich an die Informationen komme.“ Seit Ende der 1980er Jahre sei er eng verbunden mit Wirtin Laura Halding-Hoppenheit, die liebevoll „Mutter der Schwulen“ genannt wird. Mit seinem Freund lebe er seit 13 Jahren in einer Lebenspartnerschaft. „Wir haben uns vier Stunden gesehen, und es hat gefunkt.“ Er hat seinen Nachnamen angenommen.

Wenn gleichgeschlechtliche Paare jetzt echte Ehen eingehen könnten, wäre wirklich der letzte wichtige Schritt erreicht, sagt der 56-Jährige. Danach könne man sich aber natürlich weiter dafür stark machen, das auch die europäischen Länder noch offener werden, die noch nicht so weit sind. Aber: „Dass es in Deutschland wirklich so weit kommt, glaube ich erst, wenn ich es schwarz auf weiß sehe.“