Geweinsam beim Weindorf. Foto:PS

Beim Weindorf machen sie uns heuer was vor. Kein X für ein U, nein, ein W für ein M. Unter dem Motto „Geweinsam“ trifft man sich in den Lauben. Ist das jetzt gut geweint und nicht gekonnt – oder clever? Auf jeden Fall fällt es unter die Weinungsfreiheit.

Stuttgart - Mit der Werbung ist es ja wie mit dem Trollinger – was dem einen mundet, findet der andere grauslich. So wundert es nicht, wenn einer sich fragt, ob man sich beim Weindorf zu früh dem Trunk hingegeben und leichte Probleme beim Schreiben entwickelt hat. „Geweinsam“ heißt das neue Motto. Ob die Weinbaugeweinde Stuttgart auf diesen Spruch gewartet hat? Andererseits haben wir ja auch schon verweintlich große Würfe des Stadtmarketings wie „Partner der Welt“ und „Stern des Südens“ überlebt. Und nach geweinsamen wein, zwei Viertele rollt der Spruch locker über die Zunge, über den Werner Koch, Chef des Veranstalters Pro Stuttgart, bisher nur Gutes und Lob gehört hat. Es lebe die Weinungsvielfalt.

Ach, du grüne Nine!

Voller als voll geht eigentlich nicht. Braucht es da noch Werbung? Schon, glauben die Macher des Bürgervereins Pro Stuttgart. Nicht zu üppig natürlich, im schwäbischen Maßstab. Postkarten gibt es. Kein ganz neues Konzept, aber man darf die Leute ja nicht überfordern mit dem neumodischen Klump – wobei schon gewisse Anforderungen gestellt werden. Die Sprüche auf den Karten sind in einer Art Englisch geschrieben. „It’s always wine o’clock“ steht da zum Beispiel. Ach, du grüne Nine! Was das bedeutet? Keine Ahnung! Soll man jetzt rund um die Uhr am Viertele nippen? Würde sicher den Geweinsinn stärken. Vielleicht fragen wir mal Günther Oettinger. Er ist ja Experte für jene ganz spezielle Mixtur aus Schwäbisch und Englisch. Im Gedenken an des EU-Kommissars berüchtigte Rede würden wir gerne noch eine Postkarte entwerfen mit dem Satz: „In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting in one wine barrel.“

Froh gestimmt ist mancher Miesling nach einer Flasche Riesling

Der Schwabe und sein Englisch, das ist kein leichtes Verhältnis. Aber wir wissen um unsere Schwächen. Der gebürtige Stuttgarter und Liverpool-Trainer Jürgen Klopp hat mal gesagt: „My English is not onewallfree.“ Ob einwandfrei oder nicht, beim Weindorf macht der Korkenzieher einen auf Jane Fonda und Turnübungen, drüber steht: „Wine Aerobics“. Nun ja, the ghost is out of the bottle. Wo der Geist nun aus der Flasche ist, kann man weitermachen. Auf einer anderen Karte freuen sich breit grinsend eine Flasche, ein Korkenzieher und ein Korken, sie sind „Friends forever“. Wobei die Freude nicht ewig anhält, wie schon Alt-OB Manfred Rommel wusste. Er dichtete: „Froh gestimmt ist mancher Miesling / nach einer guten Flasche Riesling. / Doch schnell die Wirkung ist verschwunden. / Dann kommen wieder finst’re Stunden.“

Die Knöpfe sind das Maß

Der Wein ist das rechte Getränk für den Schwaben, der ja qua Geburt ein Melancholiker ist. Er hilft beim Hin- und Herwenden von Gedanken und wurde schon immer reichlich genossen. Früher war der halbe Liter die kleinste Maßeinheit, ein Schoppen. Einen solchen bekamen auch Ende des 19. Jahrhunderts die Insassen im Stuttgarter Waisenhaus als tägliche Ration. So berichtet es Schwabendeuter Thaddäus Troll. Er weiß auch, warum man früher über eine Karte mit dem Aufdruck „Work-Wine-Balance“ nur gelacht hätte. Er schrieb über einen Flaschnermeister, der immer maßhielt. „Bei jedem Viertele öffnete er einen Westenknopf, in der Rückrunde verfuhr er umgekehrt. War die Weste zugeknöpft, war es Zeit, nach Hause zu gehen.“ Wie viel Knöpfe die Weste hatte, ist allerdings nicht überliefert.