Die Lenk-Skulputur soll nicht dauerhaft vor dem Palais stehen. Foto: Lg/Leif Piechowski

Wohin mit Peter Lenks Skulptur „Chronik einer grotesken Entgleisung“ zum Projekt Stuttgart 21? Der Künstler pochte auf den Platz vor dem Stadtmuseum. Der Gemeinderat debattierte kontrovers.

Stuttgart. - Der Künstler Peter Lenk hat am Mittwoch dem Verwaltungsausschuss des Gemeinderates eine Art Ultimatum gestellt: Entweder bleibt sein Kunstwerk „Chronik einer grotesken Entgleisung“ zum Projekt Stuttgart 21 vor dem Stadtpalais stehen, oder er lässt es abbauen und an den Bodensee transportieren. Einen Alternativstandort werde er nicht akzeptieren. Es gebe „keine Grundlage dafür, dass das Kunstwerk weg muss, schon gar keine juristische“, so Lenk vor dem Ausschuss, er habe mit der Stadt keinen Vertrag unterschrieben.

Lenk griff den Direktor des Stadtpalais, Torben Giese, scharf an. Der sei erst begeistert gewesen, habe dann aber Vorbehalte gezeigt. „Ist er eifersüchtig, oder hat er Druck bekommen?“, frage Lenk. Die Aktionsausstellung „Stuttgart am Meer“ am Stadtpalais, bei der man zusammensitze und grille, könne auch mit dem Kunstwerk stattfinden. Der Stockholmer Platz im Europaviertel, der ihm nun angeboten worden sei, komme „nicht infrage, da ist tote Hose“, so Lenk. Dessen Stellungnahme gipfelte in den Sätzen „Politiker lügen und machen Kompromisse, Künstler lügen auch, machen aber keine Kompromisse“. Das führte zu empörtem Gemurmel bei den Stadträten.

Marc Gegenfurtner, Leiter des Stuttgarter Kulturamts, nahm Giese in Schutz. Der habe keine künstlerische Einschätzung vorgenommen. Die Stadt habe Liberalität gezeigt und auch für Lenks Werk geworben. Er wünsche sich einen „sachlichen Diskurs“, so Gegenfurtner. Aber es gebe „gewisse Kampagnen für den Verbleib der Skulptur am Palais, die nur mit einem Feindbild funktionieren“. Den Stockholmer Platz halte er für „ein ziemlich faires Angebot“, sagte Gegenfurtner.

Angriff auf den Chef des Stadtpalais

Hannes Rockenbauch vom Linksbündnis, ein langjähriger Gegner von Stuttgart 21, nannte Lenks Vorbehalte gegen den Platz – zu hohe Gebäude rundum, zu wenig belebt – für nachvollziehbar. Das sei „kein gutes Angebot“, Lenk müsse „nicht über dieses Stöckchen springen“. Die Skulptur könne am Palais verbleiben. Aber Grüne, CDU, SPD, FDP und Freie Wähler erinnerten Lenk daran, dass der Rat nur eine temporäre Aufstellung vor dem Stadtpalais beschlossen habe.

Das sei „keine Einschränkung der künstlerischen Freiheit“, so Grünen-Chef Andreas Winter. Dejan Perc (SPD) riet, weitere alternative Plätze zu prüfen, Ina Schumann (Puls) schloss sich an. „Ein Gemeinderat macht Kompromisse, das ist tägliche Arbeit“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz zu Lenk. Wenn er keinen machen wolle, sei es seine eigene Entscheidung, die Skulptur an den Bodensee mitzunehmen. Matthias Oechsner (FDP) ärgerte sich, von Lenk „vor vollendete Tatsachen gestellt“ zu werden. Rose von Stein (Freie Wähler) nannte Lenks Verhalten „trotzig“. Der konterte erregt: „Ihr habt keine Rechtsgrundlage, ich bin nicht trotzig, da will ich nicht so ein Geschwätz hören.“ Frank Ebel (AfD) nannte Lenks Werk „zum Großteil vulgär und scheußlich, das ist für mich keine Kunst“. Auch das Werk zu Stuttgart 21 gefalle ihm nicht.

AfD: Lenks Werk ist keine Kunst

Kulturbürgermeister Fabian Mayer und OB Frank Nopper (beide CDU) versuchten die Lage zu beruhigen. Mayer bot an, bei Land und Bahn einen „Scan“ nach möglichen Standorten anzugehen. Der Stockholmer Platz könne temporäre Aufstellungsfläche werden. „Wir haben bei der Suche nicht die Handbremse drin“, so Mayer. Wegen der Konzeption für die Veranstaltung „Stadt am Meer“ könne die Skulptur aber nicht vor dem Palais bleiben. Die Fläche sei schlicht verplant.

Nopper appelliert für „praktische Lösung“

„Wer sich mit Lenk einlässt, hat eine Menge Freude, aber auch eine Menge Ärger“, kommentierte Veronika Kienzle (Grüne), die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte. Der Beirat wolle, dass das Werk in der Stadt bleibe, auf dem Stockholmer Platz könne es aber wegen der umgebenden Häuser quasi untergehen.

„Demokratie braucht auch praktische Lösungen, im Moment können wir keinen anderen Standort als den Stockholmer Platz vorschlagen“, nahm Nopper einen letzten Anlauf, Lenk umzustimmen, nachdem er immer wieder versucht hatte, Lenk einen Kompromiss abzuringen. Jürgen Sauer (CDU) sah die Meinungsbildung nach 80 Minuten als abgeschlossen an.

„Die Skulptur steht bei mir am Bodensee ausgezeichnet, da kann man sie wieder abholen, wenn ihr den richtigen Platz habt“, so Lenk, „ich respektiere diese demokratische Entscheidung.“ Bürgermeister Mayer sagte: „Wir bleiben in Kontakt.“