Diese oberirdischen Gleise will die DB nach dem Bau des Tiefbahnhofs beseitigen. Eine Klägerin wollte ihr den Abbau untersagen lassen und hier weiter Züge fahren lassen. Foto: dpa

Das Bundesverwaltungsgericht hat das juristische Vorgehen der Stuttgarter Netz AG gegen den Abbau der oberirdischen Gleise im Stuttgarter Hauptbahnhof beendet. Jetzt muss die gescheiterte Klägerin über andere Optionen nachdenken.

Stuttgart - Die juristischen Bemühungen zur langfristigen Erhaltung von oberirdischen Gleisen und Bahnsteigen im Stuttgarter Hauptbahnhof haben am Donnerstag einen wohl entscheidenden Rückschlag erlitten. Da wies nach dem Verwaltungsgericht Stuttgart nun auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine entsprechende Klage ab.

Die Netz AG der Deutschen Bahn (DB) sei nicht verpflichtet, anderen Schienenverkehrsunternehmen die oberirdischen Anlagen zur Nutzung nach der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs anzubieten, entschieden die Richter. Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Aufsichtsbehörde müsse der DB den Rückbau nicht untersagen. Auch nach der Beseitigung der oberirdischen Gleise blieben sämtliche Verbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten – wenngleich nun durch den Durchgangsbahnhof in Tieflage. Man könne nicht erkennen, dass die Kapazität einer bestimmten Strecke gemindert würde. Auf den Fortbestand aller Gleis- oder Bahnhofsanlagen komme es rechtlich betrachtet nicht an.

Klägerin hält die oberirdischen Gleise für unverzichtbar

Klägerin war die Stuttgarter Netz AG, deren Namen eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem der Netz AG der Deutschen Bahn. Sie ist aber ganz anders gelagert. Sie besteht aus zwei Gesellschaftern und fünf Privatpersonen aus der Branche. Sie wollte dafür sorgen, dass regionale Eisenbahngesellschaften auch nach der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs „einen diskriminierungsfreien Zugang zum Hauptbahnhof“ haben – und auch mit Fahrzeugen, die die strengeren Auflagen für den Tunnelbetrieb nicht erfüllen. Das fördere zudem den Wettbewerb im Schienenverkehr, der zur Lösung der Verkehrsprobleme in Stuttgart forciert werden müsse. Ohne oberirdische Gleise seien die großen Umwelt- und Verkehrsprobleme Stuttgarts nicht in den Griff zu bekommen.

Aus dieser Überlegung heraus hatte die Stuttgarter Netz AG zunächst beim Verwaltungsgericht das EBA verklagt, obwohl die bisherigen Gleisflächen schon von der Stadt gekauft und zu großen Teilen für neue Gebäude verplant sind. Doch die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Gleichwohl ließ das Stuttgarter Gericht die sogenannte Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht zu, also die Möglichkeit einer formalen Überprüfung der Entscheidung auf schnellstem Weg beim Obergericht.

Das Gericht beurteilt die Klage als unbegründet

Die Richter in Leipzig entschieden abweichend davon, die Klage sei als Feststellungsklage durchaus zulässig. Die Klägerin habe auch ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Klärung, ob die DB die Anlagen anderen Interessenten im Rahmen eines regelrechten Stilllegungsverfahrens beim EBA anbieten müsse. In einem späteren Planfeststellungsverfahren für die konkreten Rückbaumaßnahmen könne die Klägerin ihr Interesse zur Übernahme der Anlagen nicht vertreten. Das Bundesverwaltungsgericht entschied aber auch, die Klage sei nicht begründet – weil der Betrieb von Strecken gar nicht eingestellt werde.

Rainer Bohnet, Vorstand der Stuttgarter Netz AG, sagte nach dem Richterspruch: „Wir sind tief enttäuscht am Endes dieses langen Kampfes zwischen David und Goliath.“ Wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliege, werde man intern beraten, welche anderen Handlungsoptionen noch blieben, etwa im Planfeststellungsverfahren für den Anlagenrückbau. In der Spanne zwischen Betriebseinstellung und Rückbau an der Erdoberfläche könne sich der Zustand der Anlagen aber sehr verschlechtern. Deswegen habe man bisher eine frühere Entscheidung gesucht.

DB begrüßt die Entscheidung

Der Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) erklärte nach der Gerichtsentscheidung, die Debatte über den Erhalt der oberirdischen Gleise sei damit nicht beendet. Der öffentliche Personennahverkehr in Stuttgart bewege sich oft an der Kapazitätsgrenze. Für Klimaschutz und Luftreinhaltung brauche man aber eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen. Dafür reiche der Tiefbahnhof nicht aus.

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 betonte, die Gerichtsentscheidung bedeute keinen Misserfolg der S-21-Gegner. Man habe den Prozess ja nicht geführt. Man hätte aber ein anderes Prozessergebnis für sachdienlich gehalten. Die Klägerin habe ihre Distanz zu den S-21-Gegnern sogar noch im Verhandlungstermin betont. Sie habe zur Wahrnehmung ihrer Rechte nicht einmal vorgetragen, dass der nur achtgleisige Tiefbahnhof eine Kapazitätsminderung des 16-gleisigen Kopfbahnhofs darstelle, obwohl dies auch bei der DB seit langem bekannt sei. Genau wegen dieses Kapazitätsabbaus sei aber weiter damit zu rechnen, dass die DB zumindest Teile des Kopfbahnhofes erhalten müsse, erklärte Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses und Jurist. Das Urteil des Gerichts, dass es auf den Fortbestand der oberirdischen Bahnanlagen zur Erfüllung der Bahnhofsfunktion nicht ankomme, hält er für „schwer vermittelbar“.

Dagegen begrüßte die DB die „letztinstanzliche Grundsatzentscheidung, dass der heutige Kopfbahnhof nicht für Dritte nutzbar bleiben muss“, weil es sich um einen Umbau und nicht um eine Stilllegung handle.