Die EnBW baut in diesem Jahr – wie hier beim Rosensteinpark – das Fernwärmenetz aus. Kritiker werfen ihr trotzdem vor, sie verschleppe die nötige Offensive. Foto: 7aktuell/Simon Adomat

Im Stuttgarter Rathaus wird diskutiert, wie der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen im Stadtgebiet bis 2050 um 95 Prozent verringert werden kann. Die Herausforderung ist gewaltig. Die Initiative Kommunale Stadtwerke hält den Ausbau von Fernwärme- und Nahwärmenetzen für besonders dringlich.

Stuttgart - Vom Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart sollen im Jahr 2050 rund 95 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase ausgehen als im Jahr 1990. Von diesem langfristigen Ziel sowie der Halbierung des Energieverbrauchs bis 2050 lässt sich die Stadtverwaltung leiten, die dafür den Masterplan 100 Prozent Klimaschutz vorbereitet. Vom Konzeptentwurf hat der Umweltausschuss des Gemeinderats Kenntnis genommen. Und er empfahl dem Gemeinderat, den Entwurf von der Verwaltung weiterentwickeln zu lassen.

Wäre es nach der Initiative Kommunale Stadtwerke gegangen, hätte das Gremium diese Empfehlung für den am Donnerstag tagenden Gemeinderat tunlichst vermieden. Dies aber nicht etwa deshalb, weil man in diesem Kreis die Eindämmung der Treibhausgas-Emissionen auf fünf Prozent für falsch hielte; der Initiative sind die bisher vorliegenden Textsammlungen, die größtenteils in einem 150-seitigen Gutachten vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik und vom Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik der Uni Stuttgart bestehen, nicht gut genug.

Kritik an dem Gutachten für den Masterplan

Das Gutachten sei in zentralen Punkten unvollständig und sogar widersprüchlich. Die „unsystematische Aufzählung“ von Fakten und Strategien reiche nicht aus. Die Hierarchie der Maßnahmen sei nicht geklärt. Der Konzeptentwurf müsse grundsätzlich überarbeitet und dann von einem Fachbeirat beraten werden, den die Stadtverwaltung zur Begleitung ihres Energiekonzepts und der Energiewende einberufen hat. Vorerst, so die Initiative, solle man lieber nichts abnicken, damit falsche, unklare und unkonkrete Strategien und Maßnahmen sich nicht verfestigen.

Hauptursache der Kontroverse ist, dass die Umweltschützer die sogenannte Wärmewende in Stuttgart als Knackpunkt für den Erfolg der angestrebten Energiewende – also den nachhaltigen Umgang mit Energie und Ressourcen sowie den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien – halten, aber auch für die angepeilten Klimaschutzziele. Diese Wärmewende sehen sie in dem Konzept aber nicht ausreichend eingelöst. Wärmewende würde bedeuten, dass mit Heizöl und Erdgas betriebene Anlagen – bis jetzt noch rund 80 Prozent in Stuttgart – zügig ersetzt werden durch wirksamere und umweltfreundlichere. Die Fernwärme soll ausgebaut werden. In Verbindung damit, aber auch um dezentrale Kleinkraftwerke herum, sollen Nahwärmenetze ganzen Stadtvierteln einheizen. Gespeist würden sie mit zunehmend klimafreundlichen Energiequellen. Nach fossilen Brennstoffen wie Erdgas könnten Biogas, Biomasse, Erdwärme, industrielle Abwärme und Ökostrom eingesetzt werden.

Antrag auf Vertagung bleibt folgenlos

Die Initiative erneuerte zudem ihre Forderungen, dass die Repräsentanten von Land und Stadt endlich die Gerichtshändel zwischen der landeseigenen EnBW und der Stadt um das Fernwärmenetz der EnBW beilegen. Dass beispielsweise im Stadtteil Stöckach die Fernwärmeleitung verläuft, aber der wünschenswerte Anschluss von Firmen- und Wohngebäuden anstelle von Ölheizungen und Nachtspeicheröfen nicht vorankomme, sei nicht hinnehmbar. Der Stadt rät die Initiative außerdem dringend, mit einer Energieleitplanung bis zum ersten Quartal 2019 flächendeckend zu definieren, wo sie welche Energieträger favorisieren und fördern und möglicherweise Wärmepreise subventionieren will.

Die SPD griff diese Gedanken auf und beantragte, vom Konzeptentwurf noch nicht Kenntnis zu nehmen. Das Gremium entschied sich anders. Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) sagte aber zu, dass man im Frühjahr über die Wärmewende und andere Punkte diskutieren werde. Im Lauf des Jahres 2018 stünden dann spannende Diskussionen darüber an, was genau man umsetzen werde. Vertreter der Fraktionen wie Alexander Kotz (CDU) merkten bereits an, möglicherweise sei es ertragreicher, mit der EnBW bei der Fernwärme in einem Unternehmen zu kooperieren statt acht Jahre mit ihr zu prozessieren.

Pro Einwohner 8,68 Tonnen Treibhausgase

Dass die Ziele extrem herausfordernd sind, wissen alle. 2014 war die Emission von Treibhausgasen in Stuttgart erst um 22 Prozent niedriger als 1990. Pro Einwohner wurden rechnerisch 8,68 Tonnen ausgestoßen – das ist knapp unter dem EU-Durchschnitt. Das Szenario des Masterplans sieht vor, dass Stuttgarts Energieversorgung 2030 komplett auf erneuerbare Energien beruht, dass 2050 rund 88 Prozent aller Pkw-Kilometer und 64 Prozent der Lkw-Kilometer elektrisch bewältigt werden.