Herbert Grönemeyer steuert die VfL Bochum-Hymne bei. Foto: dpa

Wie Orchesterlegende Erwin Lehn und SWR3-Moderator Michael Spleth für die Stuttgarter Kickers, sind auch Die Fraktion und Herbert Grönemeyer und „Die Fraktion“ prominente Fans ihres Vereins. Alle eint: Die Hymne stammt von ihnen

Stuttgart - Charakteristisch für eine gute Fußballhymne ist wohl vor allem, Leidenschaft und ein Gemeinschaftsgefühl zu transportieren. Musikalische Qualität oder besonderes Gesangstalent wird nicht zwangsläufig vorausgesetzt. Wichtig ist lediglich, dass jeder mitsingt.

Umso schöner ist es natürlich, wenn ein prominenter Musiker sich an der Entstehung einer solchen Hymne beteiligt. Das kommt häufiger vor als gedacht. Hier folgen sieben Beispiele – und eine kleine Entstehungsgeschichte der wohl bekanntesten Stuttgarter Hymnen.

1. Nina Hagen „Eisern Union!“ – 1. FC Union Berlin

Nach den Relegationsspielen hat wohl auch mancher leidtragende VfB-Fans noch Nina Hagens Stimme im Kopf. Für manche gilt sie als Begründerin des deutschen Punk – und das lässt sich auch in der rockigen Vereinshymne kaum überhören. Heiseres Geschrei in den Strophen (welches zeitweise an einen Exorzismus erinnert) wechselt sich mit harmonischen Gesang im Refrain ab. Es lässt sich nicht bestreiten, dass insbesondere der Refrain Ohrwurmpotential hat. Auch an Leidenschaft und Gemeinschaftsgefühl mangelt es in dem Lied von 1998 nicht.

2. Frank Zander „Nur nach Hause“ – Hertha BSC Berlin

„Hier kommt Kurt“ erfüllte die Kriterien an eine gute Vereinshymne offenbar nicht, daher komponierte der Sänger 1998 „Nur nach Hause“. Das Lied mit „ I am sailing“-Melodie stimmt er vor jedem Heimspiel in der Ostkurve an. Nicht einmal der Verein kann an der Einlaufhymne noch etwas ändern. Als „Dickes B“ von Seeed im letzten Jahr den Song ersetzen sollte, sang die Ostkurve kurzerhand „Nur nach Hause“ dagegen an. Hertha ruderte anschließend zurück.

3. Sebastian Krumbiegel „Du bist mein Verein“ – RB Leipzig

Neben neumodischen Begriffen wie „Rasenballsport“ setzt der Club mit Getränkeherstellerhintergrund auf den Frontmann der Traditionsband „Die Prinzen“, Sebastian Krumbiegel. Erstmals präsentiert wurde sie 2016 mit ihm am (eventuell verliehenen) Flügel, mit Kinderchor und Orchester – und ähnlich ruhig, wie sich das anhört, klingt das Lied auch. An Pathos und Gemeinschaftsgefühl spart das Lied nicht. Jedoch hat der Zuhörer anschließend möglicherweise eher Lust auf Schmusen statt Stadion.

4. Willy Astor „Stern des Südens“ – FC Bayern

Zum Entsetzen seiner schwäbischen Fans bekennt sich Willy Astor mit diesem Lied zum Erzfeind und bezeichnet diesen auch noch als alleinigen „Stern des Südens“. Die Melodie des Refrains erinnert zwar stellenweise an „We’re not gonna take it“ von „Twisted Sister“, kann aber nicht mit der Wortgewandtheit anderer Astor-Werke mithalten. „Ja gibt es denn was schöneres als einen Bayern Sieg?“ singt er – und da fallen einem schon einige Dinge ein. Eine Wurzelbehandlung beispielsweise. Als Hymne aber gutes Mittelfeld.

5. Lotto King Karl „Hamburg meine Perle“ – Hamburger SV

In Hamburg durch Lokalradiopräsenz und Liedern über die Hansestadt zur Lokalgröße aufgestiegen, wurde Gerrit Heesemann einer der Stadionsprecher des HSV. Mit dem Lied „Hamburg meine Perle“ wurde er als „Lotto King Karl“ auch über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt. Vor jedem Heimspiel des HSV performt er die leicht abgewandelte Version „Hamburg meine Fußballperle“ (eventuell zwecks besserer Reichweite) in einem Kran. Ein erstklassiges Lied zum Mitschunkeln, aber aus diesem Grund eher zweitklassig im Kran.

6. Höhner „Mer stonn zo dir FC Kölle“ – 1. FC Köln

Die Legende besagt, dass nicht einmal Kölner jedes Wort verstehen. Der Vorteil daran? Egal wie textsicher die Stadionbesucher sind, mitgesungen wird immer. Und mitreißend ist die Melodie in jedem Fall. Aber damit haben „de Höhner“ Erfahrung. Jeder Karnevalsbesucher erinnert sich zwar nicht an den vollständigen Text, aber dafür an Melodie und Refrain ihrer feuchtfröhlichen Hits wie „Viva Colonia“. Glück für den FC Köln, von dieser Erfahrung profitieren zu können.

7. Herbert Grönemeyer „Bochum“ – VfL Bochum

Faszinierend an Grönemeyers Hymne der Industriestadt ist es, wie er es schafft, auch graue Fassaden und mangelnde Schönheit als positive Eigenschaften zu verkaufen. Das passt ideal zum VfL Bochum, der zwar sportlich manchmal Glanzleistungen zeigt, oft aber eher im grauen Mittelfeld landet. Dennoch, sich bei Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyers Gesang nicht in Stadt und Verein zu verlieben, fällt schwerer als man glaubt. Vor allem weil die Dramatik nicht nur in Grönemeyers gefühlter Kurzatmigkeit besteht.

Die Stuttgarter Hymnen

Die Fraktion „Für immer VfB“ – VfB Stuttgart

In einer Fanabstimmung setzte sich 2013 „Die Fraktion“ mit „Für immer VfB“ gegen „Fools Garden“ durch. Das kann als Beweis dafür gesehen werden, dass der VfB nicht so einfach zu besingen ist wie ein Zitronenbaum, vielleicht waren die Fans aber einfach auch bescheidener als der Titel – „König der Liga“. Das Lied „Für immer VfB“ ist ein ruhiger Rocksong geworden, gut mitzusingen und vor allem auch für schwierige Zeiten wie die jetzige ausgelegt.

Erwin Lehn „Blau und Weiß sind unsere Farben“ und später Michael Spleth „Stuttgart deine Seele“ – Stuttgarter Kickers

Die 1974 von Erwin Lehn komponierte und Joachim „Blacky“ Fuchsberger geschriebene Vereinshymne wurde 2009 aktualisiert: Der SWR3-Moderator und Musiker Michael Spleth schrieb „Stuttgart deine Seele“, auch eine eher rockig angelegte Hymne mit Lokalbezug, in der geleugnete Hochdeutschkenntnisse Anwendung finden. Dennoch ist mit dem Lied mehr als die fünfte Liga drin.