Jeden Tag geht’s zusammen raus: die Kabarettistin Sabine Schief mit ihrem Lebensgefährten Michael Munzinger in Untertürkheim. Foto: Benjamin Schief

Viel zu viele Menschen, klagt Sabine Schief, behindern Behinderte – nicht nur die Stuttgarter CDU-Stadträtin Iris Ripsam. Was die Kabarettistin mit ihrem Partner erlebt, der im Rollstuhl sitzt, macht sie wütend.

Stuttgart - In ihrem neuen Programm „Sex sells – was wilsch macha“ hält es die schwäbische Kabarettistin Sabine Schief mit Clint Eastwood. Der Hollywood-Star hat mal gewarnt: „Wenn eine Frau schweigt, soll man sie nicht unterbrechen.“ Die gebürtige Cannstatterin, die sich „Mutlacherin“ und „Herzhumoristin“ nennt, weil sie „Kabarett fürs Herz und Hirn“ macht, hat was zu sagen. Es ist gut, dass die 54-Jährige nicht schweigt.

Der Vorfall im Parkhaus des Schwabenzentrums, über den gerade die Stadt heftig debattiert, überrascht sie nicht. Es ist ihre tägliche Not, wenn sie mit ihrem Lebensgefährten Michael Munzinger unterwegs ist, dass Autos von Nichtbehinderten auf Behindertenparkplätze stehen.

Ihr Partner hat vor einem Jahr eine Gehirnblutung erlitten und sich nach 15-tägigem Koma, nach Operationen und mehrmonatigem Reha-Aufenthalt zurück ins Leben gekämpft – ohne Rollstuhl geht es aber nicht. Dass eine CDU-Stadträtin so dreist ist und sagt, sie parke öfter auf einem Behindertenparkplatz, weil dieser für Behinderte unbrauchbar sei, überrascht Sabine Schief dann aber doch. „Wenn Iris Ripsam festgestellt hat, dass dieser Platz nicht für Behinderte ausreicht“, empört sich die Kabarettistin, „hätte sie als Stadträtin längst etwas unternehmen müssen, dass dieser zu kleine Parkplatz mehr Fläche bekommt oder woanders hin verlegt wird.“

Aufkleber mit der Aufschrift „Behinderte behindern – nein danke!“

Mit Flyern und Aufklebern geht Sabine Schief gegen Intoleranz vor. Wenn sie einen zugeparkten Behindertenparkplatz vorfindet, was oft geschieht, klemmt sie einen Zettel im Namen ihres Partners unter die Scheibenwischer des Autofahrers ohne Behindertenausweis. „Meinen Behindertenparkplatz haben Sie schon“, steht da drauf, „wollen Sie auch meine Behinderung?“

Ihr Sohn Benjamin Schief hat einen Aufkleber entworfen, den beide eifrig verteilen. Aufschrift: „Behinderte behindern – nein danke!“

Fehlende Parkplätze, sagt die Humoristin, sei keineswegs das einzige Problem: „Das Fortbewegen mit dem Rolli auf zugeparkten Gehwegen, nicht abgesenkten Bordsteinen und holpriges Kopfsteinpflaster kommen noch hinzu.“ Seit sie ihren Michael, mit dem sie seit fünf Jahren liiert ist, daheim versorgt, hat sie kaum noch eine freie Minute und fragt sich oft: „Was ist nur los mit unserer Gesellschaft?“

Ihren Beruf als Kabarettistin kann und will sie nicht aufgeben. Als sie im September Premiere ihres neuen Solo-Programms im Friedrichsbau Varieté feierte, war sie im Glück. Da durfte ihr Michael für einen Tag die Rehaklinik in Allensbach am Bodensee verlassen. Bevor er von dort im Oktober nach Hause in die behindertengerecht umgebaute Wohnung ziehen konnte, stand die Humoristin sehr oft mit ihrem Wohnmobil auf einem Campingplatz auf der Insel Reichenau, um ihn jeden Tag zu besuchen.

„Seit einem Jahr kämpfen wir wie die Löwen“

Das Leben ist nicht fair. Was Herbert Grönemeyer schon vor Jahren im Lied „Der Weg“ gesungen hat, trifft auch auf das Paar von Untertürkheim zu. Kaum, dass sich die beiden vor fünf Jahren kennen gelernt hatten, bekam Sabine Schief die Diagnose Brustkrebs. „Wenn du mich jetzt verlässt, kann ich das verstehen“, sagte die Kabarettistin. Ihr Freund blieb während ihrer Therapie bei ihr. „Ist doch gut“, meinte der KfZ-Meister, „wenn’s gleich am Anfang für uns hart ist – dann wird es später umso schöner.“ Es kam noch schlimmer. Eine Fistel im Kopf führte bei ihm zu einer Gehirnblutung. Seine Überlebenschance war gering.

„Seit einem Jahr kämpfen wir wie die Löwen“, sagt Sabine Schief. Behindertenparkplätze, hat sie festgestellt, werden meist abends nach 18 Uhr von Nichtbehinderten belegt – oft übers ganze Wochenende. Denn dann seien die Kontrollen von Falschparkern nicht mehr so häufig. Die 54-Jährige ruft die Polizei an, wenn sie einen nichtbehinderten Falschparker entdeckt. Zwar sei sie nicht in allen Punkten ein Fan der Amerikaner, sagt Schief, aber die Strafandrohungen in den USA gefallen ihr. Dort seien an den Schildern, die auf einen Behindertenparkplatz hinweisen, die Warnung angebracht, man müsse 3000 Dollar Strafe zahlen. In Deutschland zahlt man 35 Euro.

Die „Mutlacherin“ erlebt jeden Tag „Frust“, aber auch „schöne Momente“. Man müsse das Glück in kleinen Dingen entdecken. Wie sie das alles schafft? Sabine Schief, bekannt für ihre schwäbische Schwertgosch, wird bei dieser Frage ganz ruhig und sagt: „Mit Liebe!“

Das geht ans Herz. Was die beiden verbindet ist, wie schön, ziemlich beste Liebe.