Jonas Stave freut sich auf nachhaltig gekühltes Bier. Foto: Lichtgut/

Auf das Dach der Hochschule für Technik in Stuttgart scheint die Sonne gnadenlos. Die Wissenschaftler nutzen deshalb ihren Teststand für Solarenergie, um Bier zu kühlen. Aber auch das Universum hilft dabei.

Stuttgart - Wer derzeit aufs Thermometer blickt, denkt sicherlich nicht an vereiste Windschutzscheiben. Aber versuchen Sie, sich zu erinnern: Damals, im Winter, als es noch etwas kälter war, mussten Sie die Frontscheibe Ihres Autos freikratzen. Obwohl noch keine Minusgrade angezeigt wurden, war sie zugefroren. Schuld daran hat das Universum: In einer klaren Nacht geben die Scheiben ihre tagsüber gesammelte Wärme teilweise gen Himmel ab.

Der Grund dafür ist langwellige Strahlung, die über die Atmosphäre hinausreicht. Aus dem eisigen All kommt über diese Wellen allerdings keine Wärme, sondern bittere Kälte zurück. Die ist kälter als die Umgebungstemperatur und sorgt schließlich dafür, dass Sie am Wintermorgen zehn Minuten früher aufstehen müssen.

So weit, so ärgerlich. Doch findige Stuttgarter Wissenschaftler haben aus der Not eine Tugend gemacht. Sie nutzen dieses Phänomen, um ihr Bier zu kühlen. „Auf die Idee sind wir bei einem Bier gekommen“, verrät Jonas Stave vom Zentrum für nachhaltige Energietechnik der Stuttgarter Hochschule für Technik (HfT).

Sauheiß, und nirgendwo ein Sonnenschirm

Es ist ein gewaltiger Apparat, der auf dem Dach der HfT steht. Ein Teststand für Experimente mit Solarenergie. „Der Teststand war gerade nicht in ein aktuelles Forschungsprojekt eingebunden. Als es so heiß wurde, dachte ich: Wir müssen den ja irgendwie nutzen“, erzählt Stave. Dazu muss man erwähnen: An sonnigen Tagen wie diesen ist es da oben gelinde gesagt sauheiß. Einen Sonnenschirm haben sie wohl nicht. Im Sommer lechzt der ein oder die andere bestimmt hin und wieder nach einem Kaltgetränk.

In der Folge hat man angefangen, an einem Bierkühler zu werkeln. Stave: „Ein Freizeitprojekt von Forschungskolleginnen und -kollegen.“ Von den großen Solarmodulen führen Schläuche und Kabel zu einer Kältemaschine und schließlich zu einer mit Polystyrol isolierten Box (Polystyrol ist besser bekannt unter dem Markennamen Styropor). Darin: ein Kasten Bier im Wasserbad.

Auf den ersten Blick funktioniert das Gerät also wie ein mit Solarenergie betriebener Kühlschrank. Tagsüber ist das auch so. Aber diese Solarmodule können noch mehr. Wenn es dunkel wird, nehmen sie gewissermaßen eine zweite Identität an – fast wie Batman.

Bis zu zehn Grad Kälter als die Umgebungstemperatur

„Die Hersteller der Solarmodule wissen teilweise selbst nicht, dass man die Geräte auch nachts zur Kühlung nutzen kann“, sagt Stave. Denn nachts, wenn sich keine Solarenergie gewinnen lässt, macht man sich mithilfe von Hybridkollektoren die Strahlungskühlung zunutze.

Wie die Windschutzscheibe geben auch die Sonnenkollektoren Wärme ab und nehmen sozusagen die Kälte des Weltalls auf. Hybridkollektoren heißen diese Geräte, weil man zusätzlich unmittelbar unterhalb der Solarzellen Schläuche angebracht hat, durch die Wasser strömt. Dieses Verfahren nutzt man tagsüber, um warmes Wasser zu gewinnen, denn die Platten heizen sich je nach Wetter ordentlich auf. „Und wenn ich die Dinger eh schon auf dem Dach hab, um Wasser zu erhitzen, kann ich sie ja auch zur Kühlung einsetzen“, findet Jonas Stave.

Wie kalt das Wasser in der Nacht wird, hängt von den Bedingungen ab. „Bei klarem Nachthimmel kriegen wir das Wasser etwa zehn Grad kälter als die Umgebungstemperatur“, so Stave. Das Zentrum für nachhaltige Energietechnik hat sich ein ambitioniertes Ziel gesteckt: Bis zum Jahr 2030 soll der gesamte Campus klimaneutral werden. Das Experiment macht Mut und zeigt: Strom erzeugen, kühlen, heizen – all das ist möglich mit nachhaltiger Energiegewinnung.

Sofern Sie also keinen Carport besitzen, der den Strahlungsaustausch unterbindet, und Sie im Winter auf dem Weg zur Arbeit mal wieder kratzen und fluchen, kühlen Sie Ihr Mütchen mit diesem Gedanken: Das Universum friert zwar Ihre Scheiben ein, kann aber auch dafür sorgen, dass das Feierabendbier schön kalt ist.