Christian List bereitet die Öffnung des Roten Hirsch vor. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Demnächst dürfen die Restaurants wieder öffnen. Aber mit strengen Auflagen. Lohnt sich das überhaupt für die Gastronomen? Christian List vom Roten Hirsch in Cannstatt sagt im Interview, welche Vorbehalte er hat.

Stuttgart - Christian List hat gemischte Gefühle, was die Öffnung der Gaststätten angeht. Für seinen Roten Hirsch in Esslingen hat er schon Insolvenz anmelden müssen. Aber es gibt auch Lichtblicke für den Unternehmer.

Herr List, freuen Sie sich auf den 18. Mai?

Nein, ich glaube nicht.

Warum nicht? Am Montag dürfen Sie Ihre Lokale wieder öffnen.

Ich habe gemischte Gefühle. Jetzt fahre ich den Betrieb hoch und bei den aktuellen Infektionszahlen muss ich ihn wieder herunterfahren. Bei der Demonstration am Samstag war der Wasen gefüllt wie bei einem Rockkonzert. Ich hätte lieber bis nach den Pfingstferien gewartet, bis die Welt wieder normal ist. Wobei: Normal wird sie so schnell nicht wieder.

Den Gastronomen kann man es nicht recht machen: Erst schimpfen sie über die Schließung, jetzt über die Öffnung.

Klar wollen wir alle wieder loslegen, am liebsten halt so wie vor Corona. Für uns ist die Öffnung der Gaststätten ein großes betriebswirtschaftliches Risiko, weil ich viel Personal einsetzen muss und Waren einkaufen, ohne dass ich weiß, mit welchem Zuspruch von den Gästen zu rechnen ist. Ich brauche 90 Prozent meiner früheren Auslastung, um überleben zu können. Jetzt gilt: Maske für alle Kellner, möglichst wenig Kommunikation mit den Gästen, immer 1,5 Meter Abstand halten. Ich muss die Hälfte der Tische rausnehmen oder ich könnte Plexiglasscheiben einbauen. Aber das wäre wieder eine Investition, und als Gastronom muss man momentan sein Geld zusammen halten. Ob da ein richtiges Gastrofeeling aufkommt? Hätte ich einen Biergarten, würde ich sagen: Juhu! Das lohnt sich, da hat man Platz, da werden einfache Gerichte serviert, das ist kalkulierbar, und das ist das, was die Leute momentan suchen.

Wie kommen Sie dann mit Ihrem Unternehmen durch die Corona-Krise?

In Esslingen mussten wir für unser Lokal Roter Hirsch Insolvenz anmelden, um den Rest zu schultern. Dort gibt es keine Außengastronomie, und weil wir vor dem Sommer keinen Speck anlegen konnten, mussten wir die Notbremse ziehen. Die Konsequenz ist, dass 15 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Das ist die gastronomische Triage: Man muss aussortieren, was überlebensfähig ist. Im Roten Hirsch in Cannstatt haben wir einen Lieferservice aufgebaut. An Muttertag hatten wir einen Rekordumsatz, das kam fast an einen üblichen Tagesumsatz heran. Dort werden wir am Montag auch für Gäste öffnen. In Fellbach bleibt der Rote Hirsch zu, dafür ziehen wir unsere geplante Neueröffnung durch: Im Kitz fahren wir ein einfacheres Konzept mit Röstbroten. In unserer Eventagentur haben wir sämtliche Aufträge für das Jahr verloren. Im Catering gibt es erste Lichtblicke mit ganz kleinen Veranstaltungen. Aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Fast alle unserer Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Wie lange wir überleben können, hängt von den staatlichen Hilfen ab.

Gibt es auch etwas Positives zu berichten?

Der Zusammenhalt in unserem Team ist großartig – und die Unterstützung unserer Stammgäste ebenfalls. Wir hatten keinerlei Beschwerden, nur positive Resonanz. Das hat gut getan. Und vielleicht erleben wir Gastronomen im Sommer einen Boom, weil die Leute nicht in den Urlaub fahren können und wir so die bisherigen Verluste dann ausgleichen.