In diesem Jahr gab es schon fünf Fälle der unheilbaren Viruserkrankung FSME, die Zecken übertragen. Foto: dpa-Zentralbild

Der milde Winter ist verantwortlich dafür, dass Zecken zunehmend das ganze Jahr aktiv sind. Und das überall, wo Pflanzen wachsen. Eine Studie untersucht jetzt Stuttgarter Gärten.

Der milde Winter ist verantwortlich dafür, dass Zecken zunehmend das ganze Jahr aktiv sind. Und das überall, wo Pflanzen wachsen. Eine Studie untersucht jetzt Stuttgarter Gärten.

Stuttgart - Die Gartenbesitzerin nimmt es gelassen. Schon seit 20 Jahren leben in ihrem Garten in Stuttgart-Botnang Zecken, die das FSME-Virus in sich tragen. Das trifft auf drei bis 30 Prozent der Tiere zu. Der Stich einer solchen Zecke kann böse enden. Die unheilbare Krankheit Frühsommer-Meningoenzephalitis führt im schlimmsten Fall zu einer Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten und in einem Prozent der Fälle zum Tod.

Die Parasitologin Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim findet Gärten wie den in Botnang spannend: In einer auf mehrere Jahre angelegten Studie will sie herausfinden, wie viele und welche Zecken in Stuttgarter Gärten leben. Welche Art von Gärten den Tieren am besten gefällt. Welche Rolle die Gestaltung und Bepflanzung spielt. Welche Tiere sonst noch im Garten sind. Was man tun kann, um Zecken vielleicht zu vermeiden oder zu vertreiben. Mackenstedt vermutet Zecken zu einem hohen Prozentsatz in den Gärten. „Überall, wo Pflanzen wachsen, können im Prinzip Zecken zu finden sein.“

Panik hält die Parasitologin dennoch für unangebracht Das versucht sie den vielen Stuttgartern zu vermitteln, die besorgt wegen Zecken im Garten anrufen. Was soll ich tun? Darf ich mein Kind überhaupt noch raus lassen? Macken-stedt fragt dann immer zuerst, wie der Garten aussieht. Gibt es hohes Gras, viel Unterwuchs, wild wachsende Hecken? „Ich rate den Leuten, das Gras zu stutzen oder die Hecken zurückzuschneiden. Den Garten zu meiden, wäre falsch“, sagt Mackenstedt, die ungern Tipps aus der Ferne gibt. Daher die Studie.

Krankenkassen zahlen FSME-Impfung

„Wir suchen verschiedene Typen von Gärten, die wir genau untersuchen wollen.“ Mackenstedt schätzt, dass die Studie 20.000 bis 50.000 Euro kostet. Das Institut für Zoologie und die Firma Baxter finanzieren sie. „Wir untersuchen die Zecken im zweiten Schritt auf Erreger. Solche Nachweise sind sehr teuer.“

Zecken in Gärten sind zwar nicht mehr oder weniger gefährlich als Zecken im Wald oder Park. Es ist vielmehr der Ort, der Experten Sorge bereitet: Ein Spaziergang dauert nur kurz. Doch wer will sich schon im Garten bei 30 Grad mit langer Kleidung gegen Zecken einmummeln?

Für gewöhnlich raten Experten zur Impfung gegen FSME. In Baden-Württemberg übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Dennoch lassen sich die Baden-Württemberger nur ungern impfen: „2013 lag die Impfrate der Gesamtbevölkerung bei 31 Prozent“, sagt Uta Meyding-Lamadé, Chefärztin der Neurologischen Klinik des Krankenhaus Nordwest in Frankfurt. Bei den Vier- bis Fünfjährigen ist die Rate noch niedriger. Laut Regierungspräsidium Stuttgart waren im Untersuchungsjahr 2012/13 rund 22 Prozent der Kinder gegen FSME immun. Meyding-Lamadé versteht das nicht. „Alle FSME-Fälle ließen sich vermeiden.“ 2013 registrierte das Robert-Koch-Institut insgesamt 420 Fälle.

Gegen Borrelien, die bis zu 25 Prozent der Zecken in sich tragen, existiert keine Impfung. Sie zählen wie FSME zu den häufigsten Erregern und können die Infektionskrankheit Borreliose auslösen. Daher sollten Menschen in Wäldern und Parks lange helle Kleidung tragen sowie T-Shirts in die Hose und Socken in die Schuhe stecken. Noch besser sind Gummistiefel. „Nach jedem Aufenthalt draußen sollte man sich unbedingt nach Zecken absuchen und sie sofort entfernen“, sagt Olaf Kahl, Experte für die Biologie der Zecken und Gründer der Internetseite www.zeckenwetter.de.

Zecke mit Pinzette am Kopf packen

FSME überträgt die Zecke schnell, bei Borrelien-Erregern steigt das Übertragungsrisiko nach 24 Stunden stark an. Auch Zeckenabwehrmittel hält Kahl für geeignet. „In Tests schneiden sie schlecht ab, weil sie nicht zu 100 Prozent schützen und man nicht weiß, wie lange sie schützen. Aber ein 80-prozentiger Schutz ist besser als keiner.“

Entfernen lässt sich eine Zecke mit einer spitzen Pinzette. Oder mit den Fingernägeln. „Die Zecke am Kopf packen und rausziehen“, sagt Meyding-Lamadé. „Hat man das Gefühl, die Zecke nicht komplett entfernt zu haben, sollte man unbedingt sofort zum Arzt gehen.“

Angesichts des milden Winters sind Zecken zunehmend das ganze Jahr aktiv. Im Januar und Februar gab es bereits fünf FSME-Fälle. Vier Betroffene kommen aus dem Stadtkreis Karlsruhe, ein Patient lebt in Bayern. „Normalerweise haben wir im Mai oder Juni fünf Fälle. Dieses Jahr steigt die Zeckenaktivität seit Februar steil nach oben“, sagt Kahl. „Solche Werte hatten wir zuletzt 2007.“

Wer seinen Garten untersuchen lassen will, schreibt an Mackenstedt@uni-hohenheim.de. Am 19. März (18.30 Uhr) ist im Schloss Hohenheim eine kostenlose Infoveranstaltung zur Zecke.