Winnie Klenk betreibt seit vielen Jahren das Abseits am Kleinen Schlossplatz. (Archivbild) Foto: : Lichtgut/Achim Zweygarth

Ein dreister Hosendiebstahl wird für den Ladenbesitzer teuer: 2000 Euro muss Winnie Klenk zahlen und versteht die Welt nicht mehr. Der Abseits-Chef hatte den Dieb gestellt. Das Amtsgericht verhandelt einen Fall, der Aufsehen erregt.

Stuttgart - Die 2000 Euro, die Winnie Klenk zahlen muss, weil er nach Meinung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vor anderthalb Jahren zu heftig einen Ladendieb bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten hat, bucht der Modemann vom Kleinen Schlossplatz als „Weihnachtsspende“ ab. Das Geld, so hat das Amtsgericht verfügt, geht an die Olgäle-Stiftung. Verurteilt wurde der Abseits-Chef nicht. Das Verfahren, das viele überrascht, ist am Mittwoch gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden. Der Boutique-Besitzer, der mutig einen jungen Mann verfolgte, der teure Jeans mitgehen ließ, wird nicht als Held gefeiert, sondern zur Kasse gebeten. „Bild“ hat zuerst darüber berichtet.

Weitere Rechtsmittel will Winnie Klenk nicht einlegen, auch wenn er nicht verstehen kann, was das Amtsgericht beschlossen hat. „Wir haben mit dem Lockdown genügend Stress“, sagt der 57-Jährige, „müssen jetzt sehen, dass wir unseren Online-Verkauf weiter nach vorne bringen.“

„Hätte ich dem Dieb die Waschanleitung bringen sollen?“

Was war geschehen? Im Juli 2019 haben die Überwachungskameras in der Boutique Abseits am Kleinen Schlossplatz angezeigt, dass zwei junge Männer edle Jeans geklaut haben. Als Klenk und seine Mitarbeiter dies bemerkten, waren die beiden bereits auf und davon. „Nach zweieinhalb Stunden kam einer von ihnen erneut an unserem Laden vorbei“, berichtet der Modemann unserer Redaktion, „er war so dreist, bereits die geklaute Hose zu tragen.“ Klenk erkannte seine Hose sofort und nahm die Verfolgung auf.

„Was hätte ich auch tun sollen?“, fragt der Boutique-Besitzer, der bekannt ist für Designermarken aus den europäischen Modemetropolen, „hätte ich dem Dieb etwa die Waschanleitung bringen sollen?“ Also rannte der 57-Jährige hinter dem Mann her, der etwa halb so alt ist wie er. Auf der Flucht rutschte der Dieb aus. Klenk erwischte ihn und brachte ihn mit Hilfe eines Kollegen und von zwei Passanten in seinen Laden zurück, um ihn dort festzuhalten, bis die Polizei kam.

Hosendieb sitzt mittlerweile in Haft

Drei junge Frauen am Kleinen Schlossplatz beobachteten die Szene und waren der Meinung, da gehe man zu grob mit dem Mann um. „Wir haben ihn nicht gewürgt“, versichert Klenk, „aber mit Streicheln wär’ er nicht geblieben.“ Erwiesen sei, dass der Dieb, der inzwischen in Haft sitzt und sich selbst als drogensüchtig bezeichnet habe, keine Verletzungen davon getragen habe.

Vier Männer, darunter Klenk, sollen laut Anklage wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung den Dieb gewürgt und eine Ohrfeige verpasst haben. Das Würgen konnte nicht namentlich zugeordnet werden. Nach Paragraf 153 a wurde das Verfahren gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt.

Der Abseits-Chef meint, es sei eine „Bankrotterklärung für den Handel“, wenn man einen Diebstahl nicht verfolgen dürfe. „Natürlich bin ich nicht für Selbstjustiz“, stellt der Modehändler klar, „aber wenn wir Ladenbetreiber nichts machen dürfen, wird es immer noch schlimmer.“ In der Vergangenheit habe er schon mehrfach Diebe laufen lassen, wenn sie die geklauten Waren wieder abgegeben haben. „Aber dafür war der Fall, um den es geht, zu dreist.“

Jeden Nachmittag bittet Klenk zum Online-Shoppen im Netz

Angeklagt waren Klein Für weitere Besuche vor Gericht habe er keine Zeit, sagt Klenk, weshalb er nicht Rechtsmittel einlegen will. „Die Situation ist für uns im neuen Lockdown sehr ernst“, versichert der Abseits-Chef, „wir müssen weiterhin eine fünfstellige Miete zahlen, und ich muss sehen, dass für meine zwölf Beschäftigten die Arbeitsplätze erhalten bleiben.“

Jeden Nachmittag bittet Winnie Klenk nun zum Online-Shoppen bei Instagram und verspricht: „Wer bei mir kauft, dem bring ich die Waren auch noch Hause.“ Der Modemann hofft auf Unterstützung seiner Stammkunden, verspricht sich aber nicht zu viel. „Es gibt keine Events, keine Partys“, sagt er, „bei denen man was Tolles anziehen will.“ Sein Vorschlag: „Werft Euch alle an Weihnachten in Schale, auch wenn ihr nur zu zweit allein daheim seid!“