Kinder aus armen Familien bekommen oft keine warme Mahlzeit. Foto: dpa-Zentralbild

Viele Kinder leiden Hunger – die Stadtteil-und Familienzentren können helfen. Bei einem Symposium gegen Kinderarmut im Rathaus wurden viele Lösungen für Alltagsprobleme gefunden.

Stuttgart - Am Monatsende ist kein Geld mehr in der Familienkasse. Rosa Lopez weiß, worüber sie spricht, wenn es um Kinderarmut geht. Die Mitarbeiterin im Zentrum FiZ ( Familie im Zentrum) in Wangen, eine Anlaufstelle für sozial schwache Familien, hält in der letzten Woche des Monats immer Milch und Windeln, Obst und Brot für besonders bedürftige Mütter bereit. „Wir merken das auch in unserer betreuten Spielgruppe, dass die Kinder dann gar kein Vesper oder nur ein Stückchen trockenes Brot dabei haben“, berichtet sie.

Mit der Armut von Kindern in der reichen Stadt beschäftigte sich kürzlich einen Tag lang das Symposium, das die Kinderbeauftragte der Stadt, Maria Haller-Kindler, Irene Armbruster von der Bürgerstiftung und Silke Schmidt-Dencker vom Verein Kinderfreundliches Stuttgart, organisiert hatten. Hier kamen auch Kinder selbst zu Wort. In einem Workshop haben Grundschüler der Schülerhäuser der Schwab- und der Wilhelm-Hauff-Schule Vorschläge gesammelt, wie sich Kinder in der Stadt wohler fühlen könnten. Sie stellten diese dem Publikum im Rathaus in selbst gedrehten Filmen vor. Ihr Fazit: Es gibt einiges zu tun, denn „Stuttgart ist eine mittelgerechte Stadt.“ So lautet zumindest das Urteil der siebenjährigen Laura.

Netzwerk gegen Kinderarmut

Unter den 120 Teilnehmern waren Vertreter aus Verwaltung und Politik, Mitarbeiter aus Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, aus Stiftungen, Sozialverbänden und aus Unternehmen. In neun Arbeitsgruppen wurde ein Netzwerk geknüpft. Und es wurden Lösungen gesucht, die sich schnell umsetzen lassen: Wo gibt es Räume für Kindergeburtstage? Wie können Familien mit schmalem Budget Urlaub machen? Wie kommen Informationen und Beratungsangebote zu den Familien? Welche Koch-und Essensmöglichkeiten kann es geben – und wie könnte ein Essensfonds für Einrichtungen mit einem hohen Anteil an benachteiligten Kindern und Familien aussehen?

Nicht jeder Haushalt ist kindgerecht

Bundesweit leiden 40 Prozent der Kinder aus armen Familien Hunger. Dies belegte Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main in ihrem Eröffnungsreferat anhand einer Langzeitstudie. Demnach sind heute sogar 57 Prozent der Jugendlichen aus armen Familien unterversorgt. Allerdings sind auch 15 Prozent der Kleinkinder aus nichtarmen Familien unterversorgt. „Nicht jeder Haushalt und nicht alle Eltern sind kindgerecht“, so die Referentin. In Stuttgart beliefert der Verein „Frühstück für Kinder“ mehrmals pro Woche zwölf Brennpunktschulen mit rund 600 Schülern. Nach einer Erhebung des Statistischen Amtes von 2015 gelten 14 Prozent der Kinder unter 15 Jahren hier als arm.

Gemeinsam essen am Familientisch

Einige der 22 Stadtteil-und Familienzentren könnten an Wochentagen Kindern und Jugendlichen aus bedürftigen Familien eine warme Mahlzeit zukommen lassen. Hilfreich war in diesem Zusammenhang die Anwesenheit von Mitarbeiterinnen zweier Hotelketten, die neben Kochkursen Lebensmittelspenden anbieten wollen. „Sie haben das Essen. Wir haben die Kinder“, formulierte die Moderatorin Anja Stock-Hülle die künftige Zusammenarbeit zwischen den Anlaufstellen für sozial schwache Familien und den Hotels. Kochkurse sollen dazu motivieren, gemeinsam frisch und saisonal preisgünstig zu kochen. Die Hotelfachfrauen wollen den Familien auch das gemeinsame Essen wieder schmackhaft machen. Das Handy muss dabei zwingend in der Tasche bleiben.

„Dass man gemeinsam am Tisch sitzt, isst und miteinander redet, ist in vielen Familien verloren gegangen“, berichtete eine Mitarbeiterin aus der Familienhilfe. Rosa Lopez weiß, dass Kinder ein warmes Essen am Familientisch schätzen: „Nach einem Kochprojekt, das wir im FiZ einmal gemacht haben, haben die Kinder das immer wieder gefordert.“