Die Kunst- und Traumatherapeutin Andrea Haygis hat erklärt, warum es vielen Frauen schwerfällt, andere abzuweisen. Foto: Saskia Dreßler

Selbstbehauptung ist am Freitag das Thema im Frauenkulturzentrum Sarah an der Johannesstraße in Stuttgart-West gewesen.

S-West - Fünf Frauen haben sich in dem kleinen Raum des Frauenkulturzentrums Sarah versammelt. In einem Stuhlkreis sitzen sie zusammen und warten auf den Beginn des Vortrags. Dieser ist einer von mehreren Veranstaltungen, die im Kulturzentrum auf dem Programm stehen. „Jedes Halbjahr haben wir ein anderes Motto, dass wir uns gemeinsam aussuchen. Diesmal ist es das Motto ‚Nein heißt Nein!‘“, sagt Patrizia Schanz. Sie ist die Vorsitzende des Vereins Sarah und die Organisatorin des Vortrags an diesem Freitagabend.

Unter dieser Überschrift plant das Frauenkulturzentrum am 6. April ein Seminar zum Thema „Stärker und überzeugender werden mit Stimme und Körpersprache“ mit Andrea Durner, und am 28. April den Vortrag „Parteiliche Unterstützung heilt – ein Abend für Angehörige und Freundinnen“ mit Marion Römmle. Außerdem gibt Durner im März auch einen Selbstverteidigungskurs in Wendo. „Das Selbstbewusstsein und die Selbstbehauptung von Frauen zu stärken, ist aber immer ein Thema von uns“, sagt Schanz. Weiter bietet das Kulturzentrum auch Lesungen, Konzerte und Brunchs an.

Ein Raum zum Ausprobieren

Die Veranstaltung ist für alle Frauen gedacht. Andrea Haygis leitet den Vortrag. Sie ist Kunsttherapeutin, Systematische Beraterin und kreative Traumatherapeutin. Sie hat schon viele Kurse zum Thema Selbstbehauptung gegeben und arbeitet jetzt beim Fetz. Das Fetz ist das Frauenberatungs- und Therapiezentrum an der Schloßstraße im Stuttgarter Zentrum. Die Menschen dort kümmern sich um Frauen, die unter Gewalt leiden oder in der Vergangenheit Gewalttaten über sich ergehen lassen mussten.

Der Vortrag an diesem Freitagabend beginnt mit einer Vorstellungsrunde und der Erklärung von Andrea Haygis, dass niemand etwas machen müsse, was er nicht möchte. „Das hier ist heute ein Raum zum Ausprobieren. Ich bin für das Ausprobieren, denn nur vom Zuhören verändert sich nichts“, sagt die Therapeutin. Dabei stellt sich Haygis genau auf die Gruppe ein, die sie vor sich hat. So werden diesmal Probleme mit Autoritätspersonen, das Nein-Sagen zu anderen und das Behaupten in Männerberufen behandelt.

Der Sicherheitsabstand ist für jeden anders

Die erste Übung beschäftigt sich mit dem Sicherheitsabstand. Der Sicherheitsabstand ist für jeden anders. „Er zeigt an, wie weit jemand gehen kann, bis man sich unwohl fühlt. Das hat sehr viel mit der eigenen Größe und den kulturellen Bestimmungen zu tun“, sagt Haygis. Ein Tipp von ihr ist, dass man seinem Gegenüber ins Gesicht schauen und gleichzeitig noch die Fußspitzen des anderen aus den Augenwinkeln sehen sollte. Weiter üben die Teilnehmerinnen, wie sie in verschiedenen Situationen Nein sagen können, wie sie sich im Arbeitsumfeld und innerhalb der Familie verhalten sollen.

„Das Wichtigste bei allem ist, dass, wenn sich eine Frau bedrängt fühlt, sie dann auch bedrängt ist. Der eigene Körper ist immer der beste Maßstab“, sagt Haygis. Sie stellt auch die Unterschiede in den Verhaltensweisen von Männern und Frauen dar. „Frauen denken mehr nach als Männer. Ihnen wird von Anfang an beigebracht, dass sie nett und freundlich sein sollen. Deshalb tun sie sich schwerer, wenn sie jemanden abweisen sollen“, stellt die Expertin fest.

Genau diese Probleme versucht sie während ihres Vortrages mit vielen Beispielen zu erklären und alternative Lösungsvorschläge zu geben. Alle Frauen können dabei ihre eigenen Erfahrungen miteinbringen. Am Ende macht Haygis nochmals deutlich, dass mit dieser einen Veranstaltung das Problem der Selbstbehauptung oft nicht aus der Welt ist, sondern es muss immer daran gearbeitet werden. Trotzdem kommt von allen Teilnehmerinnen eine positive Kritik am Ende der Stunde zurück. Sie wollen auch die anderen Veranstaltungen im Frauenkulturzentrum besuchen.