Zwei Brüder stehen in Stuttgart wegen versuchten Totschlags vor Gericht. Foto: dpa

Zwei Brüder und ein Unbekannter sollen einen Mann in Sillenbuch mit Messern schwer verletzt haben. Die Brüder bestreiten die Bluttat.

Stuttgart - Zwei Brüder stehen seit Montag wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart. Sie und ein bislang Unbekannter sollen einen Mann in einer Flüchtlingsunterkunft in Sillenbuch schwer verletzt haben.

Die Anklage gegen die zwei 23 und 24 Jahre alten Afghanen ist denkbar knapp gehalten. Die Männer seien am Abend des 1. April 2018 mit einem Komplizen in das Zimmer des Opfers gegangen, hätten die Tür verschlossen, dem Mann den Mund zugehalten, ihn erst wüst geprügelt und schließlich mit Messerstichen im Gesicht, Nacken und am Oberarm schwer verletzt. Der Blutverlust des Geschädigten sei so hoch gewesen, dass eine Notoperation notwendig gewesen sei. Motiv: „Vorangegangene Streitigkeiten“, so die Staatsanwältin. Nach dieser Lesart könnte es sich bei der Tat um eine Vergeltungsaktion gehandelt haben.

Angeklagter: „Vorwürfe stimmen nicht“

Was mit „vorangegangenen Streitigkeiten“ gemeint ist, wird am ersten Prozesstag nicht ganz klar. Der Ältere, er war 2015 vier Jahre nach seinem jüngeren Bruder nach Deutschland geflüchtet, lässt seinen Verteidiger Hans-Christian Arnsperger vortragen, die Vorwürfe stimmten nicht. An jenem 1. April vor gut einem Jahr sei er in der Unterkunft in Sillenbuch auf dem Weg zu einem Mitbewohner gewesen, der ihm die Haare schneiden sollte, als er Lärm aus dem Zimmer des Opfers gehört habe. Dann seien zwei Personen aus dem Zimmer gestürmt und kurz darauf sei der verletzte Mann vor sein Zimmer getreten. Dieser habe ihn ins Zimmer gezerrt und ihm dabei Haare ausgerissen, lässt der 24-jährige Angeklagte wissen. Zudem habe der Mann ihm vorgeworfen, bei dem Überfall dabeigewesen zu sein. „Das stimmt aber nicht“, sagt der 24-Jährige.

Sein Bruder hatte schon bei der Polizei ausgesagt, er sei an jenem Tag gar nicht in Stuttgart, sondern in seinem Wohnort Aalen gewesen. Was die vorangegangenen Streitigkeiten angeht: Zuerst sei er mit dem Opfer gut ausgekommen, so der Ältere. Dann habe ihn der Mann aber bei den Sozialarbeitern wegen seines Marihuanakonsums denunziert. Der damalige Streit habe darin gegipfelt, dass der Mann und dessen Sohn ihn mit einer Gartenschaufel krankenhausreif geschlagen hätten, so der Angeklagte.

20 000 Dollar an Schleuser bezahlt

Seither seien sein rechter Arm und seine rechte Hand kaputt. Er habe mehrere Operationen über sich ergehen lassen müssen. „Ich bin als gesunder Mann vor den Taliban nach Deutschland geflüchtet. Jetzt habe ich keine rechte Hand mehr“, sagt der 24-jährige, der in Afghanistan in der Fußballnationalmannschaft der U-17-Junioren gespielt haben soll. Mit Fußball sei es für immer vorbei, sagt er.

Die zwei Brüder haben insgesamt mehr als 20 000 US-Dollar an Schleuser bezahlt, um vor den Taliban flüchten zu können. Ihr Vater soll ein Militär- oder Polizeioffizier gewesen sein, das wird nicht ganz klar. 2011 sei der Vater von den Taliban verschleppt und ermordet worden, sagen die Brüder.

Der Prozess, der bis Mitte Juni terminiert ist, wird am 9. Mai fortgesetzt.