Zwei Käufer begutachten die Bäume am Stand von Thomas Klenk an der Aussichtsplattform Schottstrasse Foto: Lichtgut/Julia Schramm

Sowohl bei Kunden als auch bei Händlern in Stuttgart und der Region gewinnt die nachhaltige Produktion von Weihnachtsbäumen an Bedeutung. Mitunter kommen sogar Christbaumschafe oder „Nützlinge“ zum Einsatz.

Stuttgart - O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün bist du denn wirklich? Nachhaltigkeit war lange Zeit bei Christbäumen kein Thema. Importiert aus Tschechien und Dänemark, geschlagen schon im Oktober und gewachsen unter starkem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kamen sie in die Supermärkte. Bei Käufern und Händlern findet derzeit aber ein Umdenken statt. Seit dieser Woche hat in Stuttgart an vielen Stellen der Christbaumverkauf begonnen – und bietet spannende Alternativen.

Für die Passanten, die an dem Weihnachtsbaumstand in der Innenstadt vorbei gehen, ist vor allem eines wichtig: Der Baum muss schön sein. Warum sie einen bestimmten Baum auswählen? „Der sieht gleichmäßig aus“, meint eine Frau. „Groß und frisch muss er sein“, sagt ein älterer Mann. Aber nicht nur ästhetisch muss der Baum vielen Ansprüchen genügen – er sollte auch frei von Insekten sein und natürlich aus der Region kommen. „Ich frag da schon auch nach“, versichert ein Familienvater. Die Regionalität ist in vielen Fällen aber nicht gegeben. 90 Prozent der 25 Millionen Weihnachtsbäume, die letztes Jahr in Deutschland verkauft wurden, stammen aus Intensiv-Plantagen, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Solche finden sich vermehrt in Norddeutschland und Dänemark – nicht aber im Raum Stuttgart.

Manche Landwirte setzen Pestizide und Herbizide ein

Die Regionalität spielt aber eine Rolle – für die Kunden von Thomas Klenk sind sie sogar oft ein entscheidendes Kaufargument. Klenk verkauft seine Bäume, vorzugsweise Nordmanntannen, auf der Aussichtsplattform an der Schottstraße. Er hat eine eigene Landwirtschaft und bepflanzt etwa ein Hektar seiner Flächen mit Christbäumen. „Das ist bei mir nur ein kleiner Nebenerwerb und für die Flächen eine Lösung, die ich sonst nur schwer bewirtschaften könnte“, erklärt er. Der Aufwand halte sich in Grenzen. Natürlich versucht er die Bäume so schön werden zu lassen wie irgendwie möglich: Er stutzt und richtet seine Bäume – alles aber nur von Hand. „Letztlich ist er bei mir ein echtes Naturprodukt.“

Martin Rometsch, Geschäftsführer des Bundesverbands der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger in Deutschland, bestätigt die wachsende Bedeutung der Regionalität beim Christbaumverkauf. Die Marktumfragen der Jahre 2011, 2012, 2014 und 2018 bestätigten dies. Aber auch die nachhaltige Landwirtschaft – also ohne chemische Behandlung – spiele eine wachsende Rolle. Ein Problem aber: Das Wichtigste, um einen Weihnachtsbaum groß zu ziehen, ist, ihn vor Unterwuchs zu schützen. Ein Bäumchen, das von anderen Pflanzen überwuchert aufwächst, wird kein schöner Weihnachtsbaum. Deshalb gibt es für manche Landwirte nur eine Lösung: Pestizide und Herbizide. Die schaden aber den Böden und später der Luft im Wohnzimmer. 2017 untersuchte der BUND deutsche Weihnachtsbäume und entdeckte bei 76 Prozent gefährliche Pflanzenschutzmittel. Darunter auch das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Bei Thomas Klenk kommt das nicht zum Einsatz. „Wir mähen einmal im Jahr durch und spritzen halt bei akutem Befall“, so der Landwirt. Natürlich wolle er auch keine Läuse auf der Plantage, aber Chemie wolle er genauso wenig.

Sogenannte Nützlinge vertreiben schädliche Insekten

Eine andere Möglichkeit nutzt Werner Armbruster. Sein Geheimnis sind seine „Christbaumschafe“. Die Shropshire-Schafe sind sozusagen „Spezialisten in der Unterwuchsbeweidung in Sonderkulturen“. Sie beschützen die künftigen Weihnachtsbäume in ihren acht bis zwölf Lebensjahren und ersetzen Glyphosat und Co. Er hat seinen Hof in Berghaupten, rund zwei Stunden von Stuttgart entfernt und verkauft am Samstag am Gerber. Den Weg nimmt er auch auf sich, um auf die gesundheitlichen Risiken eines gespritzten Weihnachtsbaums aufmerksam zu machen. „Manche Kunden hatten früher gesundheitliche Probleme in der Weihnachtszeit – denen geht es jetzt besser“, erzählt Armbruster.

Die Schafe sind nicht etwa ein neuer Trend. Bei den Christbaumkulturen Aichele, die am Feuersee verkaufen, kommen sie sogar schon seit rund 40 Jahren zu Einsatz. So auch bei Gerhard Stuber in Güglingen, eine Stunde nördlich von Stuttgart. Zusätzlich hat er aber auch sogenannte Nützlinge. Sie sind das genaue Gegenteil der Schädlinge und düngen die Christbäume auf natürliche Weise. Pressemitarbeiter Peter Klingler erklärt: „Die Nützlinge verbreiten einen Duftstoff, der schädliche Insekten vertreibt.“ Das mache eine chemische Behandlung überflüssig.

An drei Stellen sind sogar bio-zertifizierte Christbäume erhältlich: Im Gartencenter Kölle an den Standorten Zuffenhausen oder Fellbach sowie bei Monika Bender in Untertürkheim. Auch sie setzen auf Alternativen zu den chemischen Pflanzenschutzmitteln. Alle genannten Betriebe versuchen ihre Bäume am selben Tag oder nur kurz vor dem Verkauf zu schlagen: Das hält sie frisch und es müssen keine Bäume unnötig entsorgt werden. Auch ein Tipp an die Käufer eint sie: „Einfach mal nachfragen beim Verkäufer.“