Der tägliche Stau – Pendlerschicksal in der Region Stuttgart. Foto: dpa

Staus auf den Straßen, Enge in Zügen und S-Bahnen – das kommt nicht von ungefähr: Immer mehr Menschen pendeln zur Arbeit nach Stuttgart. Aber immer öfter geht es auch in die umgekehrte Richtung.

Stuttgart - Endlich mal kein Spitzenplatz für Stuttgart, wenn es um den Verkehr geht – wo ansonsten die dreckigste Kreuzung und die meisten Staus zu Hause sind. Bei der Zahl der Einpendler belegen München und Frankfurt die vorderen Ränge, wie eine Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn ergab, deren Hauptaussage ist: Die Zahl der Pendler ist im Jahr 2015 bundesweit erneut gestiegen, inzwischen fahren 60 Prozent aller Arbeitnehmer zum Job in eine andere Gemeinde. Auch wird der Weg zur Arbeit immer länger.

Rund 240 000 Beschäftigte kommen nach Stuttgart

Dieser Trend gilt auch in der Region und in der Stadt Stuttgart. Im vergangenen Jahr hat das Statistische Amt der Stadt Stuttgart in einer Studie die Ein- und Auspendlerströme untersucht (siehe Grafiken). Mittlerweile sind die neuesten Zahlen verfügbar, und sie sind erneut gestiegen: Es gibt mehr als 396 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Stuttgart, davon kommen fast 240 000 von außerhalb der Stadtgrenzen zur Arbeit. Und von den rund 245 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, die in Stuttgart wohnen, verlassen etwa 87 000 die Stadt, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Das sind knapp 4000 Ein- und rund 5000 Auspendler mehr als vor einem Jahr.

Warum sich dieser Trend so konsequent fortsetzt, dafür hat Thomas Schwarz, der Leiter des Statistischen Amts, mehrere Erklärungen. Erstens steige die Einwohnerzahl in Stuttgart und der Region an, zugleich nehme die Zahl der Beschäftigten wegen der positiven Wirtschaftsentwicklung zu. Für ihn sind die wachsenden Pendlerströme dann auch ein Beweis dafür, „wie attraktiv der Standort Stuttgart ist“. Zumal in die Pendlerstatistik, die auf den Zahlen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten basiert, Studenten und Beamte gar nicht erfasst sind – beides mehrere Zehntausend Personen umfassende Gruppen, von denen ein „erheblicher Anteil“, so Schwarz, in die Landeshauptstadt einpendelt. Die Pendlerströme haben auch Nachteile: verstopfte Straßen, Staus auf großen Verkehrsachsen, volle Züge, Busse, Stadt- und S-Bahnen. So vermeldet der Verkehrsverbund (VVS) jedes Jahr neue Fahrgastrekorde, und die Zahl der Autos, die die Markungsgrenze nach Stuttgart überqueren, nimmt weiter zu.

Sindelfingen mit größter Einpendlerrate

Die meisten Einpendler kommen nach den Untersuchungen des Statistischen Amts aus den Kreisen Ludwigsburg und Esslingen, aber in ungefähr gleicher Höhe fahren Arbeitnehmer aus dem übrigen Baden-Württemberg zum Job nach Stuttgart, selbst von jenseits der Landesgrenzen kommen täglich mehr als 25 000 Beschäftigte. Aber nicht nur Stuttgart, auch viele weitere große Städte in der Region von Böblingen bis Esslingen, von Winnenden bis Ludwigsburg haben laut dem Statistischen Landesamt hohe Einpendleranteile – am größten ist er in Sindelfingen mit dem Daimler-Werk, dann folgen mit Abstand Stuttgart und der Porsche-Standort Weissach im Kreis Böblingen.

Nimmt man die Kreise zum Maßstab, dann hat neben Stuttgart nur der Kreis Böblingen mehr Ein- als Auspendler (79 426 zu 64 730), in allen anderen Kreisen der Region sind die Auspendler in der Mehrzahl. Im Landkreis Esslingen (78 441 Einpendler und 87 797 Auspendler) ist der Abstand noch am geringsten, in den Kreisen Ludwigsburg (67 596 zu 96 886), Rems-Murr (43 503 zu 70 570) und im Landkreis Göppingen (20 637 zu 34 006) ist der Unterschied deutlicher ausgeprägt.

Bei den Auspendlern, also den Menschen, die in Stuttgart wohnen und andernorts arbeiten, sind die Kreise Böblingen, Esslingen und Ludwigsburg die bevorzugten Ziele, aber nur knapp dahinter kommen das übrige Baden-Württemberg und das Bundesgebiet. Auch dies deckt sich mit den Erkenntnissen der BBSR-Auswertung, in der von einer wachsenden Zahl von Fernpendlern die Rede ist. Danach wohnen mehr als 1500 Menschen in Stuttgart und arbeiten in Berlin. Auffallend ist, dass die Zahl der Auspendler schneller steigt als die der Einpendler – für Schwarz ein Indiz dafür, dass trotz Wohnungsknappheit und hoher Kosten die Stadt als Wohnort nach wie vor attraktiv ist. Weitere Ursache: Nicht wenige Firmen verlassen Stuttgart und siedeln in den Kreisen mit großen Standorten an.