Rudolf Diebetsberger 2017 an seiner Wirkungsstätte am Kleinen Schlossplatz. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der Straßenmusiker Rudolf Diebetsberger muss seinen Stammplatz am Kleinen Schlossplatz während des Stuttgarter Weihnachtsmarkts räumen. Mit 75 Jahren fällt er nicht in die Altersgruppe, die der Veranstalter dort sehen will.

Stuttgart - An Rudolf Diebetsberger scheiden sich die Geister. Der Straßenmusiker bläst seit zehn Jahren am Kleinen Schlossplatz in.Stuttgart das Horn, zu überregionaler Berühmtheit hat er es gebracht, als er freiwillig ins Gefängnis ging, statt ein Bußgeld zu bezahlen – Diebetsberger hat es nie besonders genau genommen mit städtischen Genehmigungen für sein Spiel. Jetzt, nach einer Reha, hat er es der 75-Jährige für den kommenden Weihnachtsmarkt über den offiziellen Dienstweg versucht. Und er ist daran gescheitert.

„Ich verstehe das nicht“, sagt Rudolf Diebetsberger, „ich finde es traurig, dass sie mich so stehen lassen.“ Sein Plan sei ohnehin gewesen, nicht länger als drei Stunden am Tag zu spielen. Und das Geld, das Diebetsberger dabei erwirtschaften sollte, würde der Pensionär, der früher bei den Stuttgarter Philharmonikern gespielt hatte, eigenen Angaben nach sowieso für Wohltätige Zwecke spenden. Es sei schließlich Weihnachten. Warum ihm das untersagt wird, will ihm nicht in den Kopf.

In Wahrheit ist die Situation etwas vertrackter. Die Verwaltung stellt die öffentlichen Flächen, wozu auch der Bereich der Königstraße, der den Schlossplatz vom Kleinen Schlossplatz trennt und wo sich Diebetsbergers Stammplatz befindet, der Veranstaltungsagentur in.Stuttgart für den Weihnachtsmarkt zur Verfügung. „Wegen des großen Besucherstroms stehen während des Marktes bestimmte öffentliche Flächen für Straßenmusiker oder Info-Stände nicht zur Verfügung“, sagt Ann-Katrin Gehrung, eine Sprecherin der Stadt.

Wegen 237 Euro ins Gefängnis

Nun ist die Verwaltung mit der Verantwortung aus dem Schneider, denn: „Der Veranstaltungsgesellschaft werden die Flächen für den Markt zur Verfügung gestellt.“ Sie entscheide auch selbstständig, ob Straßenmusiker während des Marktes auf den Flächen spielen dürfen.

Nun sind Diebetsberger und die Verwaltung nicht besonders gut aufeinander zu sprechen. Die Vorgeschichte ist lang, beide Parteien haben sich etliche Auseinandersetzungen vor Gericht geliefert, manche sind bis heute nicht endgültig ausgefochten. Streitpunkte sind der Verstärker, den Diebetsberger zu seinem Waldhorn benutzt, die Zeiten, zu denen er spielt, die Orte, an denen er spielt und dann und wann auch Beschwerden von Anrainern.

Laut Diebetsberger sei das Verhältnis zu den Behörden bis vor drei Jahren noch weniger angespannt gewesen. „Damals durfte ich auch mitten auf dem Weihnachtsmarkt spielen und auch die Marktbeschicker fanden es toll“, sagt er. 2016 hatte ihm noch Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Staufermedaille für sein Engagement verliehen, über 200 000 Euro für wohltätige Zwecke erspielt zu haben. 2017 kam das Bußgeld, das er sich weigerte zu zahlen und lieber die Erzwingungshaft antrat. Es ging – Gerichtskosten eingerechnet – um 237 Euro.

in.Stuttgart geht es um musikalische Nachwuchsförderung

Aber zurück ins Jetzt und zum Weihnachtsmarkt: Theoretisch bestünde ja die Möglichkeit, dass in.Stuttgart dem Waldhornbläser eine Fläche zur Verfügung stellt – mehr als einen Quadratmeter brauche Diebetsberger nicht, wie er sagt. Doch auch daraus wird nichts.

„Grundsätzlich stellen wir im Bereich des Weihnachtsmarkts Tagesausweise nur an Personen unter 18 Jahren aus, uns geht es hier um die musikalische Nachwuchsförderung“, sagt Christian Eisenhardt von in.Stuttgart. Da fällt Rudolf Diebetsberger mit seinen 75 Jahren natürlich etwas aus dem Raster. Weitere Punkte, die Musik auf dem Weihnachtsmarkt regeln, sind: keine kommerzielle Musik – hier wäre für Diebetsberger keine Hürde – und der Verzicht auf Verstärker. Sprich: Die Straßenmusiker, die normalerweise das Stadtbild prägen, müssen sich für die Weihnachtszeit andere Plätze suchen.

An diesem Mittwoch eröffnet der Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Diebetsberger kehrt Anfang nächster Woche aus dem Krankenhaus zurück. Ob er trotzdem spielen wird, ungeachtet des Verbotes? Darüber hüllt sich der Hornist in Schweigen.