Spurensuche am Josef-Hirn-Platz in der Innenstadt nach den nächtlichen Schüssen Ende April dieses Jahres. Jetzt ist der Schütze verurteilt worden. Foto: 7aktuell/Oskar Eyb

Ende April dieses Jahres hat ein 21-Jähriger in der Stuttgarter Innenstadt Schüsse abgegeben und zwei Männer verletzt. Jetzt ist der Schütze verurteilt worden.

Stuttgart - Die 3. Jugendstrafkammer des Landgerichts hat im Fall des jungen Mannes, der am Josef-Hirn-Platz in der Innenstadt mit einer scharfen Schusswaffe zwei Menschen verletzt haben soll, ein überraschendes Urteil gefällt. Die Richterinnen und Richter rückten von dem Vorwurf des versuchten Totschlags ab und befanden, der Angeklagte habe sich lediglich einer zweifachen gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht.

Die Schüsse waren am Abend des 30. April dieses Jahres gefallen. Am Josef-Hirn-Platz waren zwei Gruppen aus Stuttgart und Esslingen aneinandergeraten. Es wurde getreten, geschlagen, Stühle flogen. Dann fielen gegen 22.15 Uhr zwei Schüsse – noch ehe das Großaufgebot der Polizei am Ort des Geschehens eingetroffen war. Die Einsatzkräfte stießen auf mehrere Personen, sie fanden auch Blutspuren, aber keine Personen mit Schussverletzungen. Und einen Schützen schon gar nicht.

Die Widersacher wollten keine Polizei

Später spürten die Ermittler zwei 18 und 25 Jahre alten Männer auf, die mit Schussverletzungen in zwei Krankenhäusern vorstellig geworden waren. Der eine Mann wies eine Schussverletzung im Oberarm auf, der andere am Oberschenkel. Die Neun-Millimeter-Projektile stammten aus einer Walther P 8. Doch diese Männer schwiegen. Offenbar hatte es sich bei der blutigen Auseinandersetzung um einen Konflikt unter Kurden gehandelt, die die Sache ohne Polizei regeln wollten.

Die Arbeit der Polizei, die wohl Tipps aus der Szene bekommen hatte, mündete in der Festnahme des 21-Jährigen aus dem Kreis Esslingen, der sich nun vor dem Landgericht zu verantworten hatte.

Dort verlegte sich der junge Mann aufs Schweigen. Auch zu seiner Vita machte er keine Angaben. Aus früheren Verurteilungen ist sein bewegter Lebensweg aber bekannt. Der Sohn einer Deutschen und eines Kurden hat in jungen Jahren etliche Jugendeinrichtungen durchlaufen, bis ihn keine mehr haben wollte, weil er immer für Ärger gesorgt hat. Im Alter von 16 Jahren wanderte er wegen Einbruchs hinter Gitter. Dort verletzte er einen Mitgefangenen mit kochendem Wasser schwer. Er zertrümmerte TV-Geräte und wurde von einer Justizvollzugsanstalt in die nächste verlegt: Stuttgart, Rottenburg, Heimsheim, Ravensburg, Adelsheim – Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung, Gefangenenmeuterei.

Kammer sieht ihn als überführt an

Die Verurteilung wegen Nötigung hatte sich der Angeklagte eingebrockt, weil er im Alter von 17 Jahren eine Beziehung mit einer Gefängnispsychologin eingegangen war. Er soll die Frau dann bedrängt haben, ihm Mobiltelefone ins Gefängnis zu schmuggeln, was sie allerdings ablehnte. Erst im August 2018 war der 21-Jährige wieder auf freien Fuß gekommen.

Vor der 3. Jugendstrafkammer wollte er jetzt einen Freispruch. Doch die Kammer sah ihn aufgrund von Zeugenaussagen und von Schmauchspuren auf seiner Jacke als überführt an. Allerdings sahen die Richterinnen und Richter trotz der Schüsse keinen bedingten Tötungsvorsatz. Der Angeklagte hätte, wenn er hätte töten wollen, das ganze Magazin leer schießen können. Das habe er nicht getan, was einem Rücktritt vom versuchten Totschlag gleichkomme. Das Urteil: fünf Jahre und sechs Monate wegen zweifacher gefährlicher Körperverletzung.