Es hat sich vor Gericht nicht bestätigt, dass der Angeklagte mit einem Metallring zugeschlagen hat. Foto: dpa

Ein Mann erleidet durch eine Prügelattacke einen offenen Schädelbruch. Der Schläger kommt mit Bewährung davon.

Stuttgart - Eine offene Schädelfraktur, eine Hirnblutung, Hämatome – so sahen die Verletzungen eines 44 Jahre alten Mannes aus, der in der Nacht auf den 22. März dieses Jahres Opfer einer mutmaßlichen Prügelattacke geworden war. Der Mann, der für den Angriff verantwortlich ist, steht wegen versuchten Totschlags und wegen gefährlicher Körperverletzung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts. Das Urteil fällt überraschend aus.

Dem 28-jährigen Angeklagten war vorgeworfen worden, dem Opfer eine Abreibung verpasst zu haben – mit weitreichenden Folgen. Der Geschädigte leidet bis heute unter Seh- und Gehörstörungen. Ob sich das wieder einrenkt, ist ungewiss. „Es bestand konkrete Lebensgefahr“, sagt Ute Baisch, Vorsitzende Richterin der 1. Strafkammer.

Versuchter Totschlag – oder nicht?

Der Angeklagte soll dem 44-Jährigen in jener Nacht als Beifahrer in einem Auto hinterhergefahren sein, und zwar von Feuerbach nach Weilimdorf zu einem abgelegenen Lokal. „Bestens geeignet für die Tat“, so Richterin Baisch. Dort soll der Angeklagte dem 44-Jährigen die mit einem Schlagring bewehrte Faust ins Gesicht gedroschen haben. Dann habe der Angeklagte auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers eingetreten, so der Staatsanwalt. Ein glasklarer versuchter Totschlag – eigentlich.

Der Angeklagte hatte zu dem Vorwurf geschwiegen. Sein Verteidiger Matthias Sigmund hatte für ihn ein Geständnis abgelegt, aber betont, sein Mandant besitze keinen Schlagring. Auch könne sich der 28-Jährige nur an einen Schlag erinnern. Mehr wisse er nicht, er sei betrunken gewesen.

Die Expertise des Rechtsmediziners bringt die Wende zugunsten des sichtlich zerknirschten Angeklagten. „Das Verletzungsbild spricht eine deutliche Sprache“, leitet die Richterin aus dem Gutachten ab. Es habe nur den einen Schlag ins Gesicht gegeben. Das Opfer sei daraufhin mit dem Kopf auf einen Begrenzungsstein einer Rabatte gestürzt. Dadurch seien die schlimmen Verletzungen entstanden. Die Richterin ergänzt: „Fußtritte gegen den Kopf gab es nicht.“ Der eine Schlag ins Gesicht habe nicht unmittelbar zu den schweren Verletzungen geführt. Von einem Schlagring ist keine Rede mehr. Damit war der Vorwurf des versuchten Totschlags vom Tisch.

Richterin spricht von „hanebüchenem Blödsinn“

Jetzt stellt sich Frage, ob man es mit einer gefährlichen oder mit einer einfachen Körperverletzung zu tun hat. Der eine Schlag stelle keine lebensgefährdende Behandlung dar, wie es im Juristendeutsch heißt. Also habe die Kammer auf eine einfache, vorsätzliche Körperverletzung entschieden, so Richterin Baisch.

Trotzdem nahm sie sich den Angeklagten zur Brust. Seine Erinnerungslücke? „Das glaube ich Ihnen nicht.“ Auch dass er sich nicht erinnern könne, wer ihn in der Tatnacht nach Weilimdorf gefahren hat, sei „hanebüchener Blödsinn“ und grenze an „Beleidigung“, sagt die Richterin. Aber: Er habe die Tat gestanden und es sei klar geworden, dass es ihm sehr leid tue. Zudem sei der Mann nicht vorbestraft und habe in U-Haft gesessen. Das Urteil: Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, er muss 3300 Euro an das Opfer bezahlen.

Der Hintergrund? „Der Angeklagte wie auch das Opfer wissen es, aber beide blocken ab“, sagt die Vorsitzende Richterin. Vielleicht habe es Animositäten ethnischer Natur gegeben, weil der Angeklagte der türkischen Minderheit in Griechenland angehört und der Geschädigte Grieche sei, aber: „Wir wissen es nicht“, so Richterin Baisch.