Francis Kidaaga kommt aus Zentraluganda. Der gläubige Katholik hilft vor allem im katholischen Pallotti-Kindergarten in Birkach – und lernt viel dabei. Foto: Felizitas Eglof

Normalerweise brechen Menschen vom reichen Norden der Erdkugel auf, um als Freiwillige im Süden zu helfen. Der Ugander Francis Kidaaga schwimmt gegen den Strom – in Stuttgart-Plieningen.

Hohenheim - Francis Kidaaga behält seinen Anorak an, obwohl er im angenehm geheizten Weltcafé am Charlottenplatz sitzt. Darunter trägt er im Zwiebelprinzip einen Pullover und ein Hemd. Als der Ugander sagt, ihm gefalle der deutsche Winter trotz der ungewohnten Kälte, meint er damit wohl, dass er das Abenteuer seines Lebens genießt. Der 26-jährige Student, Mesner und katholischer Jugendleiter in seiner Freizeit, stand im November am Ausgang des Stuttgarter Flughafens.

Zwei Deutsche nahmen ihn in Empfang. Wie Kidaaga haben sie am weltkirchlichen Friedensdienst teilgenommen. Nur hatten sie den umgekehrten und üblichen Weg gewählt. Junge Menschen aus dem reichen Norden brechen seit Jahrzehnten in den globalen Süden auf, um in Freiwilligendiensten oder für Nichtregierungsorganisationen Hilfe zu leisten. Die beiden Deutschen, die Kidaaga am Flughafen abholten, arbeiteten zum Beispiel in seinem ostafrikanischen Heimatland Uganda.

Kidaaga hilft in einem reichen Land

Kidaaga, den sie nun am Stuttgarter Flughafen begrüßten, ist dagegen als Pionier nach Deutschland gekommen. Er nutzte den nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhre funktionierenden Friedensdienst der Weltkirche, um sich als Afrikaner sozial in einem der reichsten Länder Europas zu engagieren.

Vielleicht konnte es nur der Kirche mit ihrem weltweiten Apparat gelingen, jungen Menschen aus Afrika wie Kidaaga in Zeiten der Flüchtlingskrise die bürokratischen Hürden aus dem Weg zu räumen, die einem solchem zeitlich befristeten Aufenthalt in Europa entgegenstehen. Üblich ist der Einsatz von Freiwilligen aus Afrika in Deutschland nicht.

Stipendium ermöglichte Studium

Kidaaga lässt sich im Weltcafé nicht zu einer zweiten Tasse Kaffee einladen. Es könnte Bescheidenheit sein oder auch der Stolz, mit der finanziellen Entschädigung für seinen Freiwilligendienst seine Ausgaben in Deutschland selbst zu bestreiten. Er sitzt lieber vor seiner leeren Tasse und erzählt, wie es ist, aus einem kleinen Dorf in Zentraluganda zu stammen, ein Stipendium für ein Studium der Sozialen Entwicklung in der ugandischen Hauptstadt Kampala zu bekommen und dann als erster seiner Familie einen fremden Erdteil zu besuchen. Seine Augen leuchten, als er von seinem Flug von Kampala nach Brüssel und weiter nach Stuttgart berichtet, vom ersten Mal deutschen Kartoffelsalat zu essen, vom ersten Schnee, von den vielen ersten Malen in den vergangenen zwei Monaten.

Manches, was er in Plieningen und in Stuttgart erlebt hat, scheint ihn ehrfürchtig gemacht zu haben. Es sei erstaunlich, wie entwickelt in Deutschland der Nahverkehr oder auch die Mülltrennung sei, sagt er. „Wir Ugander brauchen ein ähnliches System, unsere Straßen ersticken im Plastikabfall“, erzählt Kidaaga.

Das Studienfach des Uganders beschäftigt sich damit, wie das von Bürgerkriegen und von Diktaturen wie der Herrschaft Idi Amins in den 1970ern sozial und wirtschaftlich verheerte Land vorangekommen kann.

Für Kidaaga scheint der Aufenthalt in Deutschland so etwas wie Feldarbeit für sein Fach „Soziale Entwicklung“ zu sein. Welche Wunder, die das Leben der Deutschen nachhaltiger, sozialer oder auch ökologischer machen, könnten vielleicht auch die Ugander voranbringen? Kidaaga stellt sich immer wieder diese Fragen, wenn er über seine Erfahrungen in Deutschland seit November 2018 spricht.

Der Ugander lebt bei einer Familie

Wichtig sind ihm aber auch die persönlichen Erlebnisse mit Deutschen, die er seine neuen Freunde nennt. Da ist die Familie, bei der er lebt und mit der er sich mit einem stetig anwachsenden Wortschatz an deutschen Vokabeln austauscht. Da sind die Gemeindemitglieder von Sankt Antonius, mit denen er seinen katholischen Glauben teilt.

Besonders ans Herz gewachsen seien ihm aber die Kinder des Birkacher Pallotti-Kindergartens, sagt er. Dort ist er im Wesentlichen für die Gemeinde Sankt Antonius im Einsatz. Kidaaga zückt sein Smartphone und öffnet ein Foto. Es zeigt ihn neben einem Schneemann und inmitten einer Schar von Kindern.

Nein, die Arbeit in einem deutschen Kindergarten falle ihm als Ausländer nicht schwer. „Den Kindern ist es egal, wo ich herkomme. Das spielt für sie keine Rolle“, sagt er. Ihm wiederum macht es Freude, dass in deutschen Kindergärten Kinder nicht gedrillt werden, wie er es aus Uganda kennt. „Bei uns ist der Kindergarten nichts anderes als eine Vorschule. Die Kinder haben so wenig Zeit zum Spielen“, sagt er.

Kidaaga wird im kommenden August nach Uganda zurückkehren. Er hofft, dass ihm die Auslandserfahrungen und das Deutsch, das er im Moment lernt, bei der Jobsuche helfen werden. „Ich will etwas finden, das mit meinem Studienfach zu tun hat“, sagt er. Die Mülltrennung muss schließlich noch ihren Weg nach Uganda finden.