Der mutmaßliche Terrorhelfer befindet sich auf freiem Fuß. Foto: dpa

Ein 34 Jahre alter Syrer steht in Stuttgart vor Gericht, weil er in Syrien einen Terroristen an Terrorristen ausgeliefert haben soll.

Stuttgart - Es ist strafbar, wenn ein Mitglied einer nicht terroristischen Bürgerwehr in Syrien einen Terroristen an eine terroristische Vereinigung ausliefert – zumindest nach der Lesart der Bundesanwaltschaft. Deshalb steht ein 34 Jahre alter Syrer seit Freitag vor dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. Der Vorwurf gegen den Asylbewerber und Kriegsflüchtling, der mit seiner Familie im Rhein-Neckar-Kreis lebt, lautet auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland und darauf, einen Menschen eingesperrt zu haben.

Das Verfahren ist kurios

Das Verfahren, das der Bundesanwalt an die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart abgegeben hat, ist kurios. Denn das Opfer Saleh A. scheint der eigentliche Verbrecher zu sein. Saleh A. sitzt in Deutschland rechtskräftig verurteilt im Gefängnis, der in Stuttgart angeklagte Mann befindet sich dagegen auf freiem Fuß.

„Ich war in keinem Kampfverband, in meiner Zeit wurde nicht geschossen“, sagt der Mann. Der 34-Jährige ist laut eigener Aussage Mitglied des „wohlhabenden und angesehenen Stammes Beini Sari“ aus der Gegend von Aleppo. Sein Vater, der im Stammesgebiet als eine Art Friedensrichter gewirkt habe, sei Bauunternehmer gewesen, der Familie sei es gut gegangen, so der Mann. Als 2011 im Rahmen des arabischen Frühlings die Proteste gegen das Assad-Regime immer stärker wurden, habe man die Bürgerwehr Jund al-Haramain gegründet, um die Demonstrationen zu schützen. Später sei die Gruppe eine Unterabteilung der Freien Syrischen Armee (FSA) geworden. Weder die gegen Assad kämpfende FSA noch besagte Bürgerwehr sind als Terrorgruppen eingestuft.

Sieben Jahre Gefängnis

Mitte 2014 habe der 34-Jährige den IS-Terroristen Saleh A. in der Region Azaz festnehmen lassen, so die Anklage. Das Ziel der Aktion: Saleh A. sollte der Terrororganisation Jabhat al-Nusra übergeben werden, die mit dem Islamischen Staat einen Gefangenenaustausch plante.

Nachdem der IS-Mann verhört worden war, wurde er der Jabhat al-Nusra überstellt. Der Angeklagte habe dabei in Kauf genommen, dass Saleh A. von den Terroristen getötet werden könnte, so der Oberstaatsanwalt.

Saleh A. gelang die Flucht nach Deutschland. Hier verurteilte ihn das OLG Düsseldorf im Juni dieses Jahres zu sieben Jahren Gefängnis – wegen Mitgliedschaft in zwei Terrorgruppen im Ausland und wegen Totschlags. Saleh A. hatte im Februar 2013 im Zuge des Angriffs auf die syrische Stadt Tabqa einen syrischen Soldaten erschossen, der zuvor den Bruder des Saleh A. erschossen hatte.

Der in Stuttgart angeklagte Vater von fünf Kindern war nach einmonatiger U-Haft auf freien Fuß gekommen, weil er ein Geständnis abgelegt und in anderen Verfahren als Zeuge ausgesagt hatte. Damit habe er Aufklärungshilfe geleistet, heißt es. Er kann wohl mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Der Prozess findet im OLG-Gebäude in Stuttgart-Stammheim statt.