Für einige Passanten ist die neu gestaltete Kante am Übergang des Möhringer Bahnhofs bereits zur Stolperfalle geworden. Foto: Sandra Hintermayr

An der kleinen Kante am Fußgängerübergang am Möhringer Bahnhof sind bereits zahlreiche Passanten gestürzt – teils mit schlimmen Folgen. Die Stuttgarter Straßenbahnen argumentieren, die Bauweise entspräche den Richtlinien.

Möhringen - Ein Hämatom und eine Platzwunde im Gesicht, ein verletzter Arm und eine kaputte Brille sind das Resultat seines Sturzes am Möhringer Bahnhof. Dabei hatte Otto Haußecker noch Glück: An der selben Stelle, an der er ins Straucheln geriet, haben sich andere Passanten bereits Knochen gebrochen oder Zähne ausgeschlagen. „Der finanzielle Schaden betrifft nur meine Brille, deren Reparatur etwa 100 Euro gekostet hat“, sagt Haußecker. „Aber ich hatte eine schwerwiegende Verletzung am Auge und eine mächtige Prellung am Kopf und am Arm.“ Er habe geröntgt werden müssen, weil der Arzt zunächst einen Knochenbruch vermutet habe. Zum Glück, sagt der Möhringer, sei die Hand aber nur stark gestaucht gewesen. Bis die Schwellung abgeklungen sei, habe es lange gedauert. Die blutende Platzwunde am Auge sei glücklicherweise gut verwachsen.

Bürger bittet darum, die Stolperfalle zu beseitigen

Otto Haußecker hat in seinem Bekanntenkreis von seinem Sturz am Bahnübergang erzählt. Dabei stellte sich heraus, dass genau an der Kante, an der er selbst hängen geblieben ist, auch andere Personen ins Straucheln geraten und gestürzt sind – „teils mit erheblichen Verletzungen“, berichtet Haußecker.

Der Möhringer hat den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen und eine Beschwerde an die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) verfasst. Das Schreiben ist auf den 4. Juni datiert. „Ich habe den Sachverhalt und die Art der Verletzungen dargestellt“, sagt Haußecker. In dem Brief bittet er die SSB darum, „die Stolperfalle zu überprüfen und zu beseitigen, bevor noch Schlimmeres passiert“. Eine Rückmeldung seitens der SSB hat Haußecker bis heute nicht bekommen; fast drei Monate lang wartet er darauf. „Ich finde es unmöglich, dass so lange niemand antwortet“, sagt er. Bei den SSB ist man um Besänftigung bemüht. „Die Anregung von Herrn Haußecker ist wegen der Urlaubszeit beziehungsweise Personalmangel leider liegengeblieben“, erklärt Pressesprecher Hans-Joachim Knupfer. Das Unternehmen sei aber daran, dem Möhringer Auskunft zu geben.

SSB sind mit Bauweise keine Probleme bekannt

Trotz der mittlerweile zahlreichen Beschwerden wird die SSB die Umsetzung des Bahnübergangs in Möhringen nicht ändern. „Auf Wunsch des Dachverbandes für die Behinderten wendet die SSB die betreffende Bauweise seit gut acht Jahren an, grundsätzlich im ganzen Verkehrsgebiet“, erklärt Knupfer. „Es sind damit keine Probleme bekannt. Es gibt demnach kein Möhringen-Spezifikum.“

Otto Haußecker schlägt in seinem Brief an die SSB vor, den Absatz etwas abzuschrägen, damit er keine Stolperfalle mehr ist. Die an den Gleisüberwegen verwendeten Kanten weisen bereits eine Abrundung auf, sagt Knupfer, im Gegensatz zu den üblichen an abgesenkten Bordsteinen verwendeten Kantensteinen im städtischen Raum. „Die Bauweise bei der SSB bedeutet also bereits eine Erleichterung für Gehbehinderte.“

Die drei Zentimeter sind ein Kompromiss

Der Überweg am Möhringer Bahnhof ist im Jahr 2018 gleich mit umgestaltet worden, als die SSB die Gleise auf der Strecke erneuert hat. Zuvor signalisierten Noppenplatten Sehbehinderten mit Taststock, wo der Bahnübergang ist. Mit dem Einbau des sogenannten Rundboards ist ein drei Zentimeter hoher Absatz entstanden. Der sei nötig, damit Menschen mit Taststock die Kante erfühlen können und dadurch wissen, dass sie den Gleisbereich überqueren. Auch an Fußgängerüberwegen an Straßen werden bei einer Neugestaltung diese drei Zentimeter hohen Bordsteine angebracht. Sie sind für Menschen mit Rollstuhl noch überwindbar. Denn: Barrierefreiheit heißt, dass Menschen mit verschiedenen Einschränkungen sich zurechtfinden müssen. Die drei Zentimeter sind so gesehen ein Kompromiss.

Trotz der vielen Unfälle: haftbar gemacht werden kann die SSB nicht. Sie sei „nur dann haftbar, wenn sie den Sturz verschuldet oder mitverschuldet hat, wenn also die Verkehrsfläche beispielsweise fehlerhaft gestaltet ist oder eine sonstige Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht vorliegt“, erklärt das Unternehmen. Ein Sturz im öffentlichen Raum falle in die Verantwortung jedes einzelnen.