Es gibt derzeit viel Arbeit am Landgericht Stuttgart. Foto: dpa

Das Stuttgarter Landgericht ist eines der größten in Deutschland. Entsprechend groß sind die Aktenberge, die dort eingehen und bearbeitet werden müssen. Und schon bald könnte die Staatsanwaltschaft noch viel mehr anliefern.

Stuttgart - Wer am Stuttgarter Landgericht auf seinen Prozess wartet, muss derzeit unter Umständen viel Geduld haben. Das größte Gericht Baden-Württembergs ächzt unter einer Vielzahl von Großverfahren, die ganze Kammern teils über viele Monate binden, wie Gerichtspräsident Andreas Singer am Montag sagte. Er verwies in seiner Bilanz unter anderem auf den sogenannten „Osmanen“-Prozess gegen die mutmaßlichen Anführer einer gewalttätigen Straßengang oder das „Paradise“-Verfahren gegen einen Bordellkönig.

Hinzu kämen große Wirtschaftsstrafverfahren wie das gegen ehemalige Mitarbeiter des Waffenherstellers Heckler & Koch sowie auf zivilrechtlicher Seite Hunderte Fälle im Zusammenhang mit dem Lkw-Kartell und dem VW-Abgasskandal.

Akten gehen „palettenweise“ ein

173 Richterinnen und Richter kümmern sich derzeit am Landgericht um die Verfahren, darunter die mehr als 7500, die allein im ersten Halbjahr 2018 neu eingingen. Eineinhalb neue Stellen seien den Kartellfällen zugeschlagen worden, wo die Akten „palettenweise“ eingingen, sagte Singer.

Die reine Zahl sei aber gar nicht unbedingt entscheidend. „Es ist letztlich immer der Einzelfall“, betonte er. Je nach Ausmaß könne man mit einem Fall eine komplette Kammer zwei oder drei Jahre lahmlegen. Da zudem sogenannte Haftsachen immer Vorrang hätten, müssten andere Verfahren, in denen die Angeklagten nicht in Untersuchungshaft säßen, immer wieder nach hinten geschoben werden.

Zusätzliche Justiz-Stellen gefordert

Noch immer nicht absehbar ist die Eröffnung des Verfahrens um die Insolvenz des Windpark-Projektentwicklers Windreich AG, ein riesiges Verfahren mit einer 521 Seiten langen Anklageschrift. Auch der Untreue-Prozess gegen 15 Professoren der Verwaltungshochschule Ludwigsburg - sofern er denn eröffnet wird - steht dem Landgericht noch bevor. Erhebe die Staatsanwaltschaft Stuttgart dann womöglich noch Anklagen in ihren Diesel-Ermittlungen, werde es nicht mehr ohne zusätzliche Kammern gehen. „Mit dem Bestand, den wir hier haben, können wir das nicht schultern“, sagte Singer.

Der Gerichtspräsident appellierte an die große Koalition in Berlin, die im Koalitionsvertrag versprochene Stärkung des Rechtsstaats mit zusätzlichen Stellen in den Ländern auch umzusetzen. Die Justiz in Baden-Württemberg koste jeden Bürger pro Monat 8,45 Euro. „8,45 Euro für Sicherheit und Rechtsfrieden in unserem Land“, sagte Singer. Das sei gut angelegtes Geld. Und eine nachhaltige Stärkung der Justiz sei da durchaus noch drin.